Viele Top-Leute gehen, aber nur wenige kommen"Wir sind zu dezent"

Gütersloh/Saarbrücken. Die einen können kein Deutsch, weil die Bundesregierung das Geld für Sprachkurse im Ausland zusammenstreicht. Andere sind die bürokratischen Antragsverfahren für eine Arbeitsgenehmigung leid. Und wieder andere fühlen sich in Deutschland einfach unerwünscht: Die Bundesrepublik ist als Einwanderungsziel für Hochqualifizierte aus dem Ausland nicht mehr erste Wahl

Gütersloh/Saarbrücken. Die einen können kein Deutsch, weil die Bundesregierung das Geld für Sprachkurse im Ausland zusammenstreicht. Andere sind die bürokratischen Antragsverfahren für eine Arbeitsgenehmigung leid. Und wieder andere fühlen sich in Deutschland einfach unerwünscht: Die Bundesrepublik ist als Einwanderungsziel für Hochqualifizierte aus dem Ausland nicht mehr erste Wahl. Das zumindest behaupten zwei Studien, die gestern veröffentlicht wurden.

"Ausländische Fachkräfte und Studenten stehen derzeit nicht Schlange, um ihre Fähigkeiten in Deutschland einzubringen - das sollte uns Sorgen machen", warnte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann. Nach einer DIHK-Umfrage unter 47 Außenhandelskammern landet die Bundesrepublik auf einer Skala zwischen eins ("attraktiv") und fünf ("unattraktiv") bei einem bescheidenen Wert von 2,8.

Nach einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung verlor Deutschland zwischen 2005 und 2009 unter dem Strich jährlich etwa 1500 Führungskräfte und Wissenschaftler an die westlichen EU-Länder. Enttäuscht resümieren die Wissenschaftler: "Deutschland profitiert nicht mehr von der internationalen Migration Hochqualifizierter." Inzwischen seien Schweden, Spanien, Österreich, Großbritannien und Belgien an Deutschland vorbeigezogen. Ob die Öffnung des Arbeitsmarkts für die osteuropäischen EU-Länder im nächsten Jahr die Situation in Deutschland grundlegend verändern werde, sei ungewiss, sagte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Gunter Thielen.

Ungeachtet des absehbar hohen Bedarfs an qualifizierten Zuwanderern tue die Bundesrepublik zu wenig, um Experten aus anderen Staaten anzulocken, beklagt der DIHK in seiner Studie, aus der die "Frankfurter Rundschau" gestern zitierte. Das wird auch in der saarländischen Wirtschaft so gesehen: "Es mangelt nicht an Erkenntnis, sondern an Umsetzungswillen", sagte der Experte der Industrie- und Handelskammer (IHK) des Saarlandes, Uwe Rentmeister. Er nannte als Beispiele Einkommensgrenzen für den Zuzug und die Anerkennung ausländischer Abschlüsse.

Als Hauptproblem wird in der DIHK-Studie die Sprache genannt. In vielen Ländern werde Deutsch nicht mehr gelernt; dies liege auch daran, dass aus Kostengründen viele Goethe-Institute geschlossen würden und Auslandsschulen ihre Angebote reduzierten. Zudem würden sich qualifizierte Kräfte etwa aus der Türkei und Polen in Deutschland oft unerwünscht fühlen. Polen beschwerten sich beispielsweise über das ihnen hierzulande anhaftende Image des "Spargelstechers und Baugehilfen".

Für Aufsehen sorgte gestern eine dritte Studie, die offiziell erst morgen vorgestellt werden soll: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bezweifelt, dass es einen grundlegenden Fachkräftemangel gibt. Es begründet seine Zweifel unter anderem damit, dass Fachkräfte bei der Einkommensentwicklung nicht besser als übrige Arbeitnehmer abgeschnitten hätten, wie "Spiegel Online" vorab berichtete.

Zeichen für eine Knappheit wären überdurchschnittliche Gehaltssteigerungen. Die Absolventenzahlen bei Ingenieursstudien und der betrieblichen Ausbildung ließen ebenfalls keinen Fachkräftemangel erkennen. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) betonte dagegen, dass es bei Ingenieuren über alle Fachrichtungen betrachtet schon heute einen Mangel gebe.

Deutschland ist für Spitzenkräfte nur mäßig attraktiv. Überrascht Sie das?

Mücklich: Die USA haben nach wie vor einen riesigen Vorsprung, den sie offensiv verteidigen. Sie suchen an deutschen Schulen gezielt nach Top-Leuten und laden sie ein. Und sie veranstalten Konferenzen in Deutschland. Wir würden uns nie erlauben, das in den USA zu machen. Wir sind da zu dezent.

Auch die Wirtschaft klagt, dass es Spezialisten aus dem Ausland nicht nach Deutschland zieht.

Mücklich: Meines Erachtens war das noch nie besser. Es war immer so, dass wir in Europa aufgrund der Kleinteiligkeit unübersichtlich und damit unattraktiv sind. Die Wissenschaftler aus Asien beginnen gerade erst, Europa zu entdecken. Wenn sie hier studiert haben, bleiben sie anschließend auch.

Was kann man besser machen?

Mücklich: Wir müssen unsere Qualität besser vermarkten: Wir haben mehr zu bieten als die USA. Wir müssen Spitzenleuten sagen: Wenn du hierher kommst, triffst du eine interessante kulturelle Vielfalt. Wenn du eine Stunde im Auto fährst, bist du in einem anderen Land. "Ausländische Fachkräfte stehen nicht Schlange,

um ihre Fähigkeiten in Deutschland einzubringen."

DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann

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