Viele Morde im Namen der RAF blieben ungeklärt

Berlin. Es war ein vergleichsweise harmloses Dokument, das vor genau einem Jahrzehnt am 20. April 1998 bei einer Nachrichtenagentur einging. Kein Bekenntnis zu einem Mord oder Anschlag, wie man es von der Roten Armee Fraktion (RAF) gewohnt war. "Heute beenden wir das Projekt", hieß es dort. "Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte

 Das Foto zeigt die ab 1970 per Haftbefehl von den deutschen Justizbehörden gesuchten RAF-Terroristen. Foto: dpa

Das Foto zeigt die ab 1970 per Haftbefehl von den deutschen Justizbehörden gesuchten RAF-Terroristen. Foto: dpa

Berlin. Es war ein vergleichsweise harmloses Dokument, das vor genau einem Jahrzehnt am 20. April 1998 bei einer Nachrichtenagentur einging. Kein Bekenntnis zu einem Mord oder Anschlag, wie man es von der Roten Armee Fraktion (RAF) gewohnt war. "Heute beenden wir das Projekt", hieß es dort. "Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte." Wer die achtseitige "Auflösungserklärung" der Terrorgruppe verfasst hat, ist bis heute ebenso ungeklärt wie die letzten Morde, die im Namen der RAF begangen wurden.

Im vergangenen Jahr lag der "Deutsche Herbst" des Terrors 1977 drei Jahrzehnte zurück, und es wurde heftig diskutiert über die Geschichte der RAF. Parallel zu dieser Debatte lehnte Bundespräsident Horst Köhler ein Gnadengesuch des inhaftierten Ex-Terroristen Christian Klar ab, während dessen frühere Komplizin Brigitte Mohnhaupt vorzeitig aus der Haft entlassen wurde. Klar und Mohnhaupt gehörten zur so genannten zweiten Generation der RAF, mit der konkrete Namen und Gesichter verbunden sind. Das gleiche galt für die erste Generation um Ulrike Meinhof und Andreas Baader.

Die Angehörigen der dritten Generation aus den 80er und 90er Jahren sind hingegen weitgehend unbekannt. Niemand weiß bis heute, wer die Verantwortlichen für die Attentate unter anderem auf Siemens-Manager Karl Heinz Beckurts, den Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, und auf Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder sind. Diese Taten seien "kriminalistisch geradezu perfekt" ausgeführt worden, schreibt der Rechtsanwalt Butz Peters. Das Rohwedder-Attentat 1991 war der letzte von 34 Morden der RAF - allein neun gehen auf das Konto der dritten Generation. Ein Jahr später erklären die Terroristen den Verzicht auf "Angriffe auf führende Repräsentanten aus Wirtschaft und Staat".

Wenige Monate danach wird die Terroristin Birgit Hogefeld auf dem Bahnhof in Bad Kleinen gefasst, ihr Komplize Wolfgang Grams und ein Polizist kommen bei einem Schusswechsel ums Leben. Hogefeld ist neben Klar heute das einzige noch inhaftierte Ex-RAF-Mitglied. Zu Straftaten und Mittätern schweigt sie - wie die Häftlinge vor ihr auch. Von Grams fanden die Ermittler am Tatort des Rohwedder-Mords ein Haar an einem Handtuch, das ihm Jahre nach seinem Tod mittels einer DNA-Analyse zugeordnet werden konnte. Gleichzeitig gestanden die Behörden ein, dass dies für den Beweis einer Tatbeteiligung viel zu wenig sei.

Grams war also tot und Hogefeld bereits im Gefängnis, als 1998 die Auflösungserklärung der RAF folgte. Die Autoren räumen darin das Scheitern des "Projekts" ein ("Das Ergebnis kritisiert uns.") Die dritte Generation habe dort weiter gemacht, wo die zweite aufhörte: Man wollte den Staat "durch die Schärfe des Angriffs" zerrütten. Es sei ein Fehler gewesen, parallel zum gewaltsamen Kampf keine "politisch-soziale Organisation" aufgebaut zu haben. Trotz aller Selbstkritik sei das Vorgehen aber "grundsätzlich richtig gewesen".

Vorerst bleibt ein Rätsel, wer die RAF 1998 für aufgelöst erklärte. "Authentisch" war der Text zumindest in einem Punkt: Wie in den Verlautbarungen der RAF zuvor gibt es kein Wort der Reue oder des Mitleids für die Opfer und ihre Angehörigen.

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