Viele Deutsche arbeiten nur „auf Abruf“

Berlin · Fünf Prozent der Arbeitnehmer haben keine feste Arbeitszeit, sondern werden von ihren Firmen nach Bedarf angefordert. Der DGB beklagt einen Missbrauch entsprechender Regelungen.

Allzeit bereit: Bis zu 1,9 Millionen Beschäftigte in Deutschland gehen einer "Arbeit auf Abruf" nach - etwa fünf Prozent aller Arbeitnehmer . Die Unternehmen reagieren damit flexibel auf kurzfristige Anforderungen - häufig jedoch zu Lasten arbeitsrechtlicher Standards. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hervor, die unserer Zeitung exklusiv vorliegt. Vor allem im Einzelhandel, im Verkehrsbereich sowie im Gaststättengewerbe werden Arbeitnehmer der Studie zufolge eingesetzt, wenn besonders viel zu tun ist. In der Gastronomie arbeiten laut DGB mindestens zwölf Prozent der Beschäftigten auf diese Weise. Die stellvertretende Bundesvorsitzende des DGB, Annelie Buntenbach, kritisierte gegenüber unserer Zeitung: "Bei Arbeit auf Abruf wird das wirtschaftliche Risiko der Betriebe voll auf die Beschäftigten verlagert."

Geregelt sind die Jobs in Paragraph 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Demnach muss eine bestimmte Dauer der wöchentlichen oder täglichen Arbeitszeit vereinbart werden. Ist das nicht der Fall, gelten zehn Wochenstunden als verabredet. Außerdem ist der Beschäftigte nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihn mindestens vier Tage im Voraus über seinen Einsatz informiert.

Die betriebliche Praxis sieht freilich oft anders aus, wie die aktuelle DGB-Untersuchung zeigt, die auf Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) basiert. Danach haben elf Prozent der betroffenen Beschäftigten keine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit . Auch die Vier-Tage-Frist wird laut DGB von den Arbeitgebern oft unterlaufen. Jeder Dritte werde sogar erst am selben Tag kontaktiert, ein weiteres Drittel ein bis drei Tage im Voraus. Obendrein könnten sich die Betriebe der Entgeltfortzahlung bei Krankheit relativ leicht entziehen, "indem sie die Arbeit an diesen Tagen einfach nicht abrufen", heißt es in der Studie. Buntenbach forderte, Arbeitnehmer "vor einseitiger betriebsbedingter Flexibilisierung" zu schützen.

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