Vertuschung im Fall Amri

Berlin · Neue Erkenntnisse zum Berliner Terroranschlag sorgen für Aufruhr in der Hauptstadt. Hat die Polizei tatsächlich Akten manipuliert, um ihr Versagen zu verschleiern?

 Als gewerbsmäßiger Drogendealer hätte der Terror-Attentäter von Berlin, Anis Amri, vermutlich noch vor dem Anschlag verhaftet werden können. Versuchte die Berliner Polizei diesen Umstand zu verheimlichen? Foto: Dedert/dpa

Als gewerbsmäßiger Drogendealer hätte der Terror-Attentäter von Berlin, Anis Amri, vermutlich noch vor dem Anschlag verhaftet werden können. Versuchte die Berliner Polizei diesen Umstand zu verheimlichen? Foto: Dedert/dpa

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Nach den Vertuschungs-Vorwürfen gegen Berliner Polizisten im Terrorfall Anis Amri werden bundesweit Forderungen nach gründlicher Aufarbeitung laut. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) versprach eine rückhaltlose Aufklärung: "Wir können kein Interesse daran haben, dass irgendetwas verschleiert wird." Das sei der Senat den Opfern, den Angehörigen und den Überlebenden schuldig. Daher habe er Anzeige wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt erstattet und disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet. "Wir reden hier nicht von einer Bagatelle, sondern von einem Terroranschlag mit zwölf Toten und mehr als 60 Verletzten", betonte der Innensenator.

Geisel hatte am Mittwoch öffentlich gemacht, dass Akten zu Amris Drogengeschäften offenkundig nachträglich verändert wurden. Damit könnten Polizisten verschleiert haben, dass sie Amri vor seinem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche hätten festnehmen können.

 Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD). Foto: dpa

Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD). Foto: dpa

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"Es ist ein unerhörter Verdacht und ich erwarte von allen Beteiligten, dass das jetzt sehr gründlich aufgeklärt wird", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gestern in Brüssel. Von den Grünen im Bund und in Nordrhein-Westfalen kam der Ruf nach einem Untersuchungsausschuss im Bundestag. SPD und Linke sprachen sich dagegen aus. Ein Ausschuss so kurz vor der Bundestagswahl sei nicht mehr realistisch, sagte die Vize-Fraktionschefin der SPD, Eva Högl, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Sonderermittler der rot-rot-grünen Berliner Landesregierung, Bruno Jost, hatte die Widersprüche in den Akten entdeckt. In einem digitalen Dokument vom November war Amri als gewerbsmäßiger Drogenhändler eingestuft worden. Doch dieses fand nie den Weg in die Papier-Akten. Stattdessen wurde hier Wochen später ein Vermerk abgeheftet, der Amri nur noch als Kleinhändler bezeichnete. Möglicherweise wollten Polizisten mit der Manipulation vertuschen, dass sie Amri schon im November hätten verhaften können - und der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt damit unter Umständen verhindert worden wäre. Amri tötete am 19. Dezember zwölf Menschen, weitere 67 wurden bei dem bislang folgenschwersten islamistischen Anschlag in Deutschland verletzt. Wenige Tage später wurde Amri auf der Flucht in Italien von der Polizei erschossen.

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