Verhüllen bleibt verboten

Wer sein Gesicht komplett verschleiert, beeinträchtigt das Zusammenleben mit anderen. Auf diesen Nenner lässt sich die Begründung bringen, mit der der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg gestern das umstrittene Burka-Verbot in Frankreich für rechtmäßig erklärt hat.

"Das Gericht erkennt an, dass die Abschottung gegenüber anderen, die ein gesichtsverhüllender Schleier in der Öffentlichkeit bedeutet, das Zusammenleben beeinträchtigen kann", befand die Große Kammer des Gerichts, gegen deren Urteil keine Berufung möglich ist.

Geklagt hatte eine 24-Jährige Muslimin, die nur unter dem Kürzel S.A.S. auftrat. Sie sah die Religionsfreiheit und das Recht auf Respekt des Privatlebens durch das Verbot der Vollverschleierung verletzt, das seit drei Jahren in Frankreich gilt.

Als erstes westliches Land hatte das laizistische Frankreich noch unter dem konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy ein Burka-Verbot beschlossen, das aber genauso für andere Formen der Gesichtsverschleierung wie Masken und Motorradhelme gilt. 150 Euro muss jeder zahlen, der dagegen verstößt.

2000 Frauen betroffen

Vollverschleierte Frauen sind in Frankreich selten zu sehen: Nur etwa 2000 Musliminnen verhüllen ihren Körper komplett und lassen nur kleine Sehschlitze für die Augen frei. "Die Burka ist kein religiöses Zeichen. Sie ist ein Zeichen der Unterwerfung. Sie ist in Frankreich nicht willkommen", hatte Präsident Sarkozy damals für sein Gesetz geworben.

Mehr als drei Jahre später ist das Burka-Verbot immer noch umstritten. Wie leicht die Lage eskalieren kann, hatte die Polizeikontrolle einer vollverschleierten Frau in Trappes, rund 30 Kilometer von Paris entfernt, vor ziemlich genau einem Jahr gezeigt. Proteste gegen die Polizei hatten nächtelange Krawalle ausgelöst. Der Mann der Burka-Trägerin wurde deshalb gestern zu drei Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 1000 Euro verurteilt - nur wenige Stunden nach dem Straßburger Urteil.

Auch wenn das Menschenrechtsgericht nun das Burka-Verbot gestärkt hat, enthält das Urteil auch eine Rüge an Frankreich : Denn der Gerichtshof warnt ausdrücklich davor, aus dem Verbot der Vollverschleierung eine Diskriminierung muslimischer Frauen abzuleiten. "Indem der Staat einen solchen Gesetzgebungsprozess eingeleitet hat, hat er das Risiko auf sich genommen, zur Stärkung von Stereotypen beizutragen, die bestimmte Kategorien von Menschen treffen und zu Intoleranz ermutigen", heißt es in dem Urteil. "Es richtet eine sehr strenge Warnung an Frankreich ", sagte der Soziologe Jean Baubérot im Radiosender France Inter. Die Große Kammer des Menschenrechtsgerichts warne davor, die in Frankreich herrschende Trennung von Staat und Religion ins Negative zu kehren. Seiner Ansicht nach erteilten die Richter Forderungen, das an Schulen geltende Kopftuchverbot auch auf die Universitäten auszudehnen, eine klare Absage. Denn die Große Kammer betont ausdrücklich, dass religiöse Kleidung, die das Gesicht freilasse, weiter getragen werden könne.

Bereits im Jahr 2004 hatte Frankreich Schülerinnen und Lehrerinnen das Kopftuch in der Schule verboten. Generell wurden Symbole und Kleidungsstücke verbannt, "die ostentativ die Religionszugehörigkeit der Schüler zur Schau stellen." Darunter fällt nicht nur das Kopftuch, sondern auch die jüdische Kippa und ein besonders auffälliges christliches Kreuz.

Zum Thema:

Auf einen BlickSeit April 2011 wird in Frankreich die komplette Verschleierung im öffentlichen Raum verboten. Seitdem führte die Polizei 927 Kontrolle von vollverschleierten Personen durch. Es handelte sich um 537 Frauen , manche brachen aber wiederholt das Gesetz. 870 Mal wurden Geldstrafen verhängt, in 57 Fällen kamen die Frauen mit einer Verwarnung davon. Regionale Zahlen für Lothringen liegen nicht vor. hem

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