Verdun, ein symbolischer Ort

Das Frontgeschehen in Verdun veränderte das traditionelle Bild des heroischen Kämpfers im Kriege. Soldaten wurden hier zu reinem Material. Wir schildern, wie der Stellungskrieg aussah und was er hinterließ.

Den "schauerlichsten Schauplatz des blutigen Deliriums" nannte der Dichter Karl Kraus Verdun. Bis heute gilt Verdun als Symbol und Synonym für die Sinnlosigkeit eines Stellungskrieges. In Frankreich steht der Name des 18 000-Einwohner-Städtchens aber auch für die Widerstandskraft und den Verteidigungswillen der Franzosen. Seit 1996 wird das jedes Jahr auf einer Freilichtbühne bei Verdun mit dem Laien-Historien-Event "Des flammes à la lumière" (Von den Flammen ins Licht) zelebriert. Deutsche und Franzosen wirken mit.

Verdun galt als stärkste Festung Frankreichs, wurde vom berühmten Vauban (1633-1707) als Gürtel von Festungsanlagen gebaut. 1916 wurde die Front mit einem labyrinthischen Schützengrabensystem (Kampf- und Laufgräben, Deckungs- und Verbindungsgräben) versehen. Das Marschieren und der Transport von Material in diesen Gräben war sehr mühsam. Zunächst waren die Unterstände noch ausgestattet mit Tischen, Öfen, elektrischem Licht. Später hausten die Soldaten in Erdlöchern mit feuchten, verlausten Liegestellen, oft wateten sie im Wasser. Die Schanzarbeiten erschöpften sie, hinzu kamen Schmutz, Hunger, Geschützdonner. Sie starrten tagelang auf Leichenberge und Pferdekadaver, in eine surreale Ruinen- und Trümmerlandschaft. Das Artilleriefeuer hatte die Landschaft umgepflügt, Trichter eingegraben, die sich mit Schlamm füllten. Überall sah man Baumstümpfe abgeholzter Wälder - die Soldaten brauchten Bretter für die Befestigung der Gräben. Der Stellungskrieg veränderte das traditionelle Bild vom heroischen, aktiven Kämpfer, er wurde zum Wartenden. Sehr lange Ruhepausen und kurze, oft nur fünfminütige Angriffsphasen prägten das Geschehen. Der Einsatz von Gas und Flugzeugen machte die Schützengräben dann zu Todesfallen.

Der französische Präsident Raymond Poincaré (1860-1934) stammte aus Bar-le-Duc, es liegt 50 Kilometer südlich von Verdun. Die Straße von dort an die Front wurde zur Versorgungs-Überlebensader - und legendär. "Voie sacrée" nennen sie die Franzosen. 1916 passierten dort wöchentlich 9000 Militärfahrzeuge, brachten 50 000 Tonnen Lebensmittel, Waffen, Munition nach Verdun. Täglich wurden 13 000 Menschen transportiert.

Einer der Kampforte war die Festung Douaumont. Zunächst von den Deutschen erobert, wurde sie später deren Massengrab. Im Beinhaus von Douaumont liegen die Knochen von 130 000 nicht identifizierten deutschen und französischen Soldaten. Dort ereignete sich 1984 auch die berühmte Verbindungsgeste von Kanzler Helmut Kohl und Staatspräsident François Mitterand. Die beiden Männer hielten sich an den Händen. Das Bild ging um die Welt, wurde die Ikone für ein neues, ein versöhnungsfähiges und friedliches Europa.

Termine für das Verdun-Event: zwischen 20. Juni und 26. Juli jeden Freitag und Samstag; www.spectacle-verdun.com/de

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