USA stimmen Zeitplan für Rückzug aus Irak zu

Washington. In einer Kehrtwende ihrer bisherigen Politik hat die US-Regierung erstmals Zeitplänen für einen Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak zugestimmt. Beide Seiten einigten sich nach monatelangen Verhandlungen auf einen Mehrstufenplan, der eine graduelle Verringerung der US-Streitkräfte vorsieht

Washington. In einer Kehrtwende ihrer bisherigen Politik hat die US-Regierung erstmals Zeitplänen für einen Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak zugestimmt. Beide Seiten einigten sich nach monatelangen Verhandlungen auf einen Mehrstufenplan, der eine graduelle Verringerung der US-Streitkräfte vorsieht. Die Umsetzung der "angestrebten Zielmarken" bleibt abhängig von der konkreten Sicherheitslage vor Ort. Das Abkommen sieht in der ersten Stufe bis 30. Juni 2009 den Rückzug aller Kampfeinheiten der Amerikaner aus den "Städten und Dörfern" Iraks vor. Dazu gehört eine Konsolidierung der bisherigen US-Stützpunkte in den Nachbarschaften größerer Ortschaften und Stadtteile, die das Rückgrat der Strategie General David Petraeus im Kampf gegen die Aufständischen ausmacht. In einer zweiten Stufe sollen dann bis zum 31. Dezember 2011 die verbliebenen Truppen der Amerikaner das Land verlassen. Davon nicht berührt werden Trainingseinheiten der USA, die auf Wunsch der Iraker weiter beim Aufbau und bei der Ausbildung der eigenen Streitkräfte mithelfen. "Wenn die irakische Regierung entscheidet, es sei notwendig, die amerikanischen Einheiten länger zu behalten, bleibt das nach dem Abkommen möglich", erklärt Mohammed al-Haj, der die Verhandlungen für die Iraker führte. Der Durchbruch kam bei einem Überraschungsbesuch der amerikanischen Außenministerin Condoleezza Rice in Bagdad. In einer mehr als dreistündigen Sitzung räumten Rice und der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki letzte Hindernisse aus dem Weg. Während Maliki davon abrückte, auf Ende 2010 als Zielmarke für den Truppenabzug zu beharren, machten die USA Zugeständnisse bei Fragen, die die Souveränität des Irak berühren. "Wir haben ein sehr gutes Abkommen", lobte Rice das Ergebnis der Verhandlungen, die im Frühjahr noch vor scheinbar unüberwindbaren Hindernissen standen. "Die USA haben sich sehr weit bewegt." Damit spielt die Außenministerin auf die Bereitschaft Washingtons an, Zeitpläne in die Vereinbarung mit aufzunehmen. Bis vor Kurzem noch hatten US-Präsident George W. Bush und der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain Zeitpläne als unverantwortlich abgelehnt. Dies käme dem Eingeständnis einer Niederlage gleich und spiele den Feinden der USA in die Hände, argumentierte das Weiße Haus. Maliki überraschte die US-Regierung, als er beim Besuch des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama im Juli dessen Plan für einen Rückzug innerhalb von 16 Monaten also bis 2010 nachdrücklich unterstützte. Mitarbeiter des Weißen Hauses waren bemüht, dem Eindruck entgegenzutreten, die Regierung habe eine Rolle rückwärts gemacht. Washington beharre weiter darauf, dass ein Rückzug abhängig von der Situation vor Ort bleibe. Obamas Plan habe eine solche Einschränkung nicht vorgesehen. Das Abkommen muss in Irak noch verschiedene Hürden nehmen, bevor es vom Parlament abgesegnet werden kann. Meinung

Bushs Sinneswandel

Von SZ-KorrespondentThomas Spang Zeitpläne für einen US-Rückzug aus dem Irak mit dem Segen George W. Bushs - wer hätte das gedacht? Warum der plötzliche Sinneswandel? Weil im Dezember das UN-Mandat für die Präsenz der US-Truppen in Irak ausläuft. Bis dahin müssen Washington und Bagdad eine Vereinbarung über den Status gefunden haben. Bush weiß, dass er den finalen Status der US-Truppen in Irak in seiner Amtszeit nicht mehr unter Dach und Fach bekommt ohne Entgegenkommen in der Rückzugsfrage. Pech für John McCain, der ein Argument weniger hat, auf seinen Konkurrenten einzudreschen. Doch internationale Diplomatie richtet sich nicht unbedingt nach dem Kalender der US-Präsidentschaftswahlkämpfe. Und vernünftige Überlegungen sollten nicht davon abhängig gemacht werden. Deshalb Glückwunsch zum bewiesenen Pragmatismus.

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