USA kritisieren Deutschland immer schärfer wegen Verteidigungsausgaben Zum Nato-Geburtstag viel Druck

Washington · Die USA formulieren immer deutlicher Bedingungen für den weiteren Zusammenhalt des Verteidigungsbündnisses.

 Beim Großmanöver im norwegischen Trondheim im Oktober vergangenen Jahres demonstrierte die Nato gegenüber Russland ihre Stärke. Jetzt feierte das nordatlantische Militärbündnis seinen 70. Geburtstag – überschattet von heftigen Vorwürfen der USA an Deutschland wegen zu geringer Verteidigungsausgaben.

Beim Großmanöver im norwegischen Trondheim im Oktober vergangenen Jahres demonstrierte die Nato gegenüber Russland ihre Stärke. Jetzt feierte das nordatlantische Militärbündnis seinen 70. Geburtstag – überschattet von heftigen Vorwürfen der USA an Deutschland wegen zu geringer Verteidigungsausgaben.

Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com/dpa Picture-Alliance / Rob Kunzing

Für einen Moment wirkt es so, als sei nichts gewesen: Kein Streit um Prozentzahlen bei den Verteidigungsausgaben und keine Diskussionen über Gasleitungen oder Raketenabwehrsysteme aus Russland. Als die Außenminister der 29 Nato-Mitglieder sich am Mittwochabend im monumentalen Andrew W. Mellon Auditorium in Washington zum Geburtstagsfoto zusammenstellen, um 70 Jahre Bündnisgeschichte zu feiern, versuchen alle, gute Mine zu machen.

Der goldverzierte Saal, in dem am 4. April 1949 der Nordatlantikvertrag unterzeichnet wurde, ist in warmes Licht gehüllt und US-Außenminister Mike Pompeo lobt das Bündnis neben Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg als „umwerfend erfolgreiche Allianz“. Er wolle mit den Partnern sicherstellen, dass die Nato auch in Zukunft als Schutzschild und Bollwerk funktionieren könne, sagt er. So wie es die Gründungsväter um den damaligen US-Präsidenten Harry Truman es sich vorgestellt hatten. Der deutsche Chefdiplomat Heiko Maas (SPD) steht gleich hinter Pompeo und verfolgt die Rede lächelnd.

Ein anderer Auftritt liegt da gerade einmal ein paar Stunden zurück. Am Nachmittag hatte US-Vizepräsident Mike Pence keine Zweifel daran gelassen, dass die ungemütlichen Zeiten für die europäischen Verbündeten noch lange nicht vorbei sind. Unter dem Strich machte der Stellvertreter von Donald Trump unmissverständlich klar, dass die Verbündeten sich in Zukunft nur dann auf Unterstützung verlassen können, wenn sie die Bedingungen der USA akzeptieren.

Nach diesem Prinzip bestimmen die USA, wie viel Geld die Alliierten für Verteidigung ausgegeben müssen (mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts), von wem sie Waffen und Gas kaufen sollen (nicht von Russland, sondern von den USA) und wer der neue große Gegner ist (China). Dass Deutschland an dem russisch-deutschen Gasleitungsprojekt Nord Stream 2 festhalte, sei „schlicht und einfach inakzeptabel“, kritisierte Pence. Zudem müsse Deutschland spätestens 2024 nicht nur die versprochenen 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben, sondern zwei Prozent.

Maas versucht, möglich gelassen auf die Attacken zu reagieren und spult die ganze Palette der bekannten Rechtfertigungen herunter. Von Krise will er nichts wissen. „Es ist nicht so, dass diese Debatte hier in irgendeiner Weise unversöhnlich geführt wird“, sagt er. „Die Nato ist eine große multilaterale Erfolgsgeschichte, daran hat auch Deutschland seinen Anteil.“

Noch harschere Töne als Deutschland muss sich nur die Türkei anhören, die ein Raketenabwehrsystem von Russland kaufen will. „Die Türkei muss wählen: Will sie ein entscheidender Partner des erfolgreichsten Militärbündnisses der Weltgeschichte bleiben, oder will sie die Sicherheit dieser Partnerschaft riskieren, indem sie unverantwortliche Entscheidungen trifft?“, droht Pence. Eine Allianz gleichberechtigter Partner ist wohl etwas anderes.

Die Nato und die europäischen Alliierten stecken allerdings in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite wissen sie, dass die USA zu Recht mehr Eigenverantwortung bei der Verteidigung fordern. Auf der anderen Seite stellt sich aber die Frage, wie die Nato in Zukunft funktionieren soll, wenn die Politik des wichtigsten Mitglieds auf dem Bauchgefühl des Präsidenten und knallhartem Machtkalkül beruht.

Teil von letzterem ist, dass sich die USA immer stärker auf China konzentrieren, weil sie in der wirtschaftlich und militärisch aufstrebenden Volksrepublik eine wesentlich größere Gefahr für ihre Interessen sehen als in einem Russland, das zwar viele Atomwaffen, aber nicht einmal die Wirtschaftskraft Italiens hat.

China sei die „vielleicht größte Herausforderung“ für die Nato, stellte Pence zur Jubiläumsfeier die US-Sicht klar und kritisierte das europäische Interesse an chinesischer Technologie für den Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes und die sogenannte Seidenstraßen-Initiative, über die China zum Beispiel in Häfen und andere Infrastruktur in Europa investieren will.

In Nato-Ländern wie Italien, Frankreich und auch Deutschland dürften solche Äußerungen den Eindruck verstärken, dass es der aktuellen US-Regierung weniger um Sicherheit als um ihre Stellung als militärische und wirtschaftliche Supermacht geht.

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