USA bereiten historische Massenimpfung vor

Washington. Scheibe runter, Arm raus, ein Piecks mit der Impfnadel - und der Nächste bitte. So könnte es bald vor amerikanischen Einkaufszentren aussehen, wenn die Parkflächen dort in mobile Stationen zur Massenimpfung gegen die Schweine-Grippe verwandelt werden. Auch die Schulen, die spätestens Anfang September wieder beginnen, werden im großen Stil mit eingebunden

Washington. Scheibe runter, Arm raus, ein Piecks mit der Impfnadel - und der Nächste bitte. So könnte es bald vor amerikanischen Einkaufszentren aussehen, wenn die Parkflächen dort in mobile Stationen zur Massenimpfung gegen die Schweine-Grippe verwandelt werden. Auch die Schulen, die spätestens Anfang September wieder beginnen, werden im großen Stil mit eingebunden. Die Eltern erhalten Informationen über die freiwillige Impfung ihrer Zöglinge, die durch das H1N1-Virus stärker gefährdet sind als durch übliche Grippe-Erreger. "Das könnte das größte Massen-Impfungsprogramm in der Geschichte der Menschheit werden", analysiert der Medizinhistoriker Howard Makel die Vorbereitungen der US-Behörden. Die 2800 regionalen Gesundheitsämter stellen sich darauf ein, bis Ende des Jahres die Hälfte der Bevölkerung zu impfen. Ein unerhörtes Tempo für das die völlig unterbesetzten Behörden freiwilliges Personal rekrutieren. An der Kampagne soll sich beteiligen, wer einen weißen Kittel trägt. Vom Augen- bis zum Zahnarzt ist jede Hilfe willkommen. Außerdem mobilisieren die Ämter Krankenschwestern, Hebammen und Apotheker, die den Impfstoff als Spray verabreichen können. Sofern genügend der für zwei Milliarden US-Dollar in Auftrag gegebenen 195 Millionen Dosen vorhanden sind, geht es im Oktober los.

Soweit der Plan. Ansonsten stellen sich die Verantwortlichen schon jetzt darauf ein im großen Stil improvisieren zu müssen. Nach Stand der Dinge werden im Herbst gerade einmal ein Drittel der vorgesehenen Impfstoffe vor Ort bereitstehen. Die fünf Hersteller werden erst Mitte Oktober die Kapazität haben, pro Woche 20 Millionen Dosen zu produzieren. Bis dahin dürften auch die Ergebnisse der umfänglichen klinischen Tests vorliegen, die Sicherheit und Wirkung der Impfstoffe prüfen.

"Es gibt keine Warnzeichen", meint der Chef des "National Institutes of Allergy and Infectious Diseases" Anthony Fauci, der für die Sicherheit der Impfstoffe zuständig ist, zu den Ergebnissen erster Vorstudien. Ungeachtet dessen kann Faucis Behörde noch keine Aussage darüber machen, wie ein effektiver Impfschutz am besten erreicht werden kann. Die Hersteller der Impfstoffe haben sich für jeden Fall vorsorglich abgesichert. Gesundheitsministerin Kathleen Sibelius gewährte ihnen vergangen Monat volle Immunität gegen Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderungen. Bei Impfschäden müssen sich Betroffene stattdessen an den Staat wenden, der festlegt, ob und in welcher Höhe Kompensationen aus einem öffentlichen Fonds gezahlt werden. Kritiker wie Barbara Loe Fisher vom "National Vaccine Information Center" rufen die Erfahrungen der letzten der Massenimpfung in den USA 1976 in Erinnerung. Damals impften die Behörden 40 Millionen Amerikaner. Während die befürchtete Schweinegrippe niemals eintraf, erkrankten Tausende an dem seltenen Guillain-Barre-Syndome. Die Betroffenen verklagten die Hersteller, weil sie den Impfstoff für die Krankheit verantwortlich machten.

Fisher mahnt deshalb zur Zurückhaltung. Die massive und schnelle Mobilisierung der Gesundheitsbehörden sei "eine Überreaktion". Der Expertenbeirat des US-Präsidenten hält dies für unverantwortlich. In einer Anfang der Woche veröffentlichten Schätzung heißt es, bis zur Hälfte der Bevölkerung könnte in diesem Winter an H1N1 erkranken.

Die Fachleute rechnen mit bis zu 1,8 Millionen Patienten, die in Krankenhäusern behandelt werden müssen und über 90 000 Todesfällen. In einigen Teilen der USA könnten die Intensivstationen überfordert sein, ausreichend Betten bereitzustellen. "Jeder Aspekt unseres Gesundheitssystems wird herausgefordert", meint Harold Vamus, einer der beiden Vorsitzenden des Beirats. "Jeder Aspekt unseres Gesundheitssystems wird herausgefordert."

Harold Vamus, Vorsitzender des Expertenbeirats des US-Präsidenten

Unterstützung erhält die CDU noch von der CSU-Bundesministerin Ilse Aigner, die heute vormittag in Orscholz Station macht.

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