Diesel-Fahrzeuge Union stellt Grenzwerte in Frage

Berlin · CSU-Minister Scheuer bringt eine Aussetzung ins Spiel, nachdem Wissenschaftler gesundheitliche Gefahren durch Diesel-Fahrzeuge relativiert haben. Die SPD will keine neuen Regeln.

 In Stuttgart herrscht ein flächendeckendes Fahrverbot für ältere Diesel. Grund dafür ist die Überschreitung derzeit geltender Grenzwerte.

In Stuttgart herrscht ein flächendeckendes Fahrverbot für ältere Diesel. Grund dafür ist die Überschreitung derzeit geltender Grenzwerte.

Foto: dpa/Marijan Murat

Eine Gruppe von Lungenmedizinern hält die Gefahr gesundheitlicher Schäden durch Stickoxide und Feinstaub für gering. Stehen die Grenzwerte jetzt auf der Kippe? Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) suchte diesen Eindruck gestern erneut zu erwecken.

Im ARD-Frühstücksfernsehen stärkte Scheuer den Initiatoren des Vorstoßes den Rücken. „Wenn über 100 Wissenschaftler sich zusammenschließen, dann ist das doch ein Signal“, meinte Scheuer. Sie hätten „Fakten“ in die Debatte gebracht, weshalb man auf europäischer Ebene über die Aussetzung der Grenzwerte diskutieren müsse. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Erwin Rüddel: „Wir brauchen neue Studien, neue Analysen, und auf deren Basis muss dann neu entschieden werden. Denn das, was derzeit vorliegt, scheint mir wissenschaftlich nicht fundiert zu sein“, sagte der CDU-Politiker. So lange es hier keine Klarheit gebe, sollte man auch „sehr zurückhaltend mit Fahrverboten sein“, so Rüddel.

Am Tag zuvor hatten 113 Lungenärzte in einer Stellungnahme kritisiert, dass die geltenden Festlegungen zur Gesundheitsgefährdung durch Feinstaub und Stickoxide jeder gesicherten wissenschaftlichen Grundlage entbehren und daher auch die Grenzwerte, die zum Beispiel für Stickstoffdioxid bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen, ungerechtfertigt sind. In ihrem Fachverband, der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), sind sie damit allerdings nur eine kleine Minderheit. Der DGP zählt 4100 Mitglieder, darunter 3300 Ärzte. In einem aktuellen Papier kommt die Organisation auch zu einem gegenteiligen Schluss. Ausdrücklich wird darin auf Studien verwiesen, die zeigten, dass die Feinstaubbelastung „gesundheitsschädlich“ sei.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sah gestern daher auch keinen Grund, an den Grenzwerten zu rütteln: Neuere Studien zeigten sogar, „dass die Grenzwerte eher zu hoch als zu niedrig sind“. Für Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist die jüngste Debatte nur ein Ablenkungsmanöver: Man habe „kein Grenzwertproblem, sondern ein Diesel- und Verkehrsproblem, das wir zum Beispiel mit Hardware-Nachrüstungen lösen können“, meinte Schulze.

Für die Deutsche Umwelthilfe, die wegen zu hoher Schadstoffwerte klagte und schon mehrere Diesel-Fahrverbote erzwang, kommt die Diskussion nicht überraschend. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch verwies auf Äußerungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), wonach sie von der Autoindustrie erwarte, dass Diesel-Fahrzeuge so repariert würden, dass sie den Grenzwert bei Stickoxiden auch auf der Straße einhielten. „Und jetzt startet beispielsweise VW eine Presseoffensive und stellt in vorbereiteten Pressetexten die Grenzwerte in Frage. Das ist doch schon auffällig“, meinte Resch.

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