Unerwartetes Schneechaos sorgt im Saarland für Ausnahmezustand

Saarbrücken · Viele Saarländer dürften gestern Morgen beim Blick aus dem Fenster gestaunt haben: weiße Pracht, soweit das Auge reicht. Auf den Straßen hingegen sorgte der Schneefall für wenig Begeisterung: Unfälle, Umleitungen und Bus-Ausfälle. Der Wetterdienst hat das nicht kommen sehen.

 Dieser Sattelzug kam bei Limbach auf spiegelglatter Straße ins Schleudern und landete im Graben. Dieses Schicksal erlitten gestern viele Brummifahrer. Foto: Becker & Bredel

Dieser Sattelzug kam bei Limbach auf spiegelglatter Straße ins Schleudern und landete im Graben. Dieses Schicksal erlitten gestern viele Brummifahrer. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

Und es geht erstmal nichts mehr. Hier, auf der Autobahn 6 bei Homburg. Drei Sattelzüge sind an diesem Mittwochmorgen auf spiegelglattem und völlig verschneitem Asphalt ins Schlingern gekommen und ineinander gekracht. Jetzt stehen sie quer auf der Schnellstraße - und blockieren alles. Für mehr als 100 Brummifahrer hinter dem massiven Blechberg führt kein Weg vorwärts noch rückwärts. Stundenlang harren sie bei Minus-Graden aus. Ab und an klopft ein Rotkreuzler an die Tür und bietet einen heißen Tee oder Kaffee gegen die frostige Kälte an.

Ähnliche Szenen spielten sich gestern überall auf saarländischen Straßen ab. Und das bedeutete natürlich jede Menge Verspätungen. Auch der Landtag begann seine Sitzung eine Stunde später, statt um neun Uhr ging's erst um zehn los. Immerhin. In den Gemeinschaftsschulen in Marpingen und Püttlingen oder in den privaten kaufmännischen Schulen in Schiffweiler fiel der Unterricht komplett aus.

Das Winterwetter überraschte viele - allen voran die Meteorologen der Republik. Beispielsweise den Deutschen Wetterdienst (DWD). "Kein Schnee in Sicht", hieß es Dienstagnachmittag noch auf SZ-Anfrage. Bis in die nächste Woche hinein soll es wohl so bleiben. Wirklich? Die bis zu 18 Zentimeter dicke Schneedecke zeigt: Die Prognose war falsch. Wieso? "Es war ein Machtspiel zweier Luftmassen", sagt Dominik Eder von der "Wetterstation Saar". Am Ende gewann eine nördöstliche Strömung. Sie konnte weiter zu uns vordringen als erwartet und brachte die Minus-Grade mit. Sie traf schließlich auf "Xandra". Das Tief aus Italien hatte dicke Wolken im Gepäck. Dass es Schnee geben würde, "war zu erwarten", so Eder. Aber nicht im Saarland, sondern in Mitteldeutschland. Da es aber hierzulande zwei Grad kälter war als berechnet, rieselte Schnee statt Wasser.

"Diese Jahreszeit ist nicht die schönste im Leben eines Meteorologen ", meint Tobias Reinhartz vom DWD. Falsche Prognosen kämen "schon mal" vor - "leider". Schuld sei nicht zuletzt die Technik. Meteorologen griffen für ihre Lageberichte die Echosignale von Radarstationen ab. Regen sei darauf leicht zu entschlüsseln. Sprühregen, der gestern im Saarland letztlich zu Schnee wurde, nicht. "Das Radar reagiert kaum bis gar nicht darauf."

Dabei sind genaue Prognosen "äußerst wichtig", findet Mathias Busch vom Landesbetrieb für Straßenbau (LfS). Das Verkehrschaos sei durch die Fehleinschätzung des DWD "mitverursacht" worden. Bis Dienstagmittag habe es keine Schnee-Meldung gegeben. Und so teilte der LfS weniger Personal ein. Am Ende rückten gestern dennoch 45 Fahrzeuge gegen das Winterwetter vor. "Hätten wir gewusst, dass diese Schneemassen herunterkommen, wären mehr Leute eingeteilt und die Straßen schneller frei gewesen." Aber falsche Prognosen könnten passieren, zeigt sich Busch milde.

Und wann erwartet uns die nächste Schneewalze? Die SZ fragte gestern bei Dominik Jung nach. Der Wettermann aus Wiesbaden war einer der wenigen, die das Schneechaos in unserer Region vorausgesagt hatten. "In der Nacht zwischen Samstag und Sonntag kann es wieder schneien." Um es also mit den Worten der SZ zu sagen: "Im Saarland noch keine Flocken in Sicht . . ."

MEINUNG
Weiße Pracht, schwarzer Tag
Von SZ-Redakteur Bernard Bernarding

Mit diesem Wetter hatte tatsächlich kaum jemand gerechnet. Auch deshalb brachte der echte Wintereinbruch in der Nacht zum Mittwoch neben eisigen Temperaturen auch frostige Mienen vieler tausend Autofahrer. Der unerwartete Schneefall und die glatten Straßen im Saarland sorgten für Chaos auf den Straßen, auch die Räumdienste wurden kalt erwischt. Dafür kann man nicht nur Petrus verantwortlich machen, auch die Meteorologen vom Deutschen Wetterdienst sind nicht ganz schuldlos: Sie lagen glatt daneben mit ihrer Prognose. Noch am Dienstagnachmittag hieß es felsenfest
bei den Experten in Offenbach: Kein Schnee in Sicht. Dass es dann ganz anders kam, fanden höchstens Kinder lustig, die Schneemänner bauen konnten. Der Mittwoch mit seiner weißen Pracht war ein schwarzer Tag für Wetterforscher und Autofahrer. Man sollte sich künftig vielleicht besser am Komiker Karl Valentin orientieren, der es ja schon immer gewusst hat: Vorhersagen sind überaus schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.

Das Saarland war ein einziger Super-Stau

 Auf dem Gau bei Berus zeigte sich der Winter von seiner schönsten Seite und verwandelte die Region in ein Schneeparadies. Foto: Hartmann Jenal

Auf dem Gau bei Berus zeigte sich der Winter von seiner schönsten Seite und verwandelte die Region in ein Schneeparadies. Foto: Hartmann Jenal

Foto: Hartmann Jenal
 So wie hier auf der Autobahn 6 sah es gestern auf vielen Straßen im Saarland aus: lange Staus und Räumfahrzeuge. Foto: Thorsten Wolf

So wie hier auf der Autobahn 6 sah es gestern auf vielen Straßen im Saarland aus: lange Staus und Räumfahrzeuge. Foto: Thorsten Wolf

Foto: Thorsten Wolf
 Schnee ist ein Spaß für Groß und Klein – und Hunde natürlich. Emma posierte beim Spaziergang in St. Wendel sichtlich gern für den Fotografen. Foto: Bonenberger & Klos

Schnee ist ein Spaß für Groß und Klein – und Hunde natürlich. Emma posierte beim Spaziergang in St. Wendel sichtlich gern für den Fotografen. Foto: Bonenberger & Klos

Foto: Bonenberger & Klos

Saarbrücken. Das Schneechaos hat das Saarland gestern lahmgelegt. Zeitweise wurden Staus mit einer Gesamtlänge von 150 Kilometern gemeldet. Gerade auf den Autobahnen ging oft nichts mehr. Hier einige Beispiele:
Die A1: Auf der Schnellstraße zwischen Trier und Saarbrücken ereignete sich der wohl schlimmste Stau. 25 Kilometer lang reihten sich Fahrzeuge Stoßstange an Stoßstange aneinander - von Heusweiler bis nach Tholey. Schuld waren mehrere Glätte-Unfälle. Der Abschnitt zwischen Holz und Quierschied wurde für zwei Stunden komplett gesperrt.
Die A6: Kilometerlang staute es sich auch auf der Autobahn 6 - und zwar in beide Richtungen. Am Morgen brachte eine Karambolage dreier Lkw den Verkehr zum Erliegen. Von Waldmohr bis nach Saarbrücken lief lange nichts. Auf
der Gegenseite Richtung Mannheim wurde die Strecke halbseitig gesperrt. Ein Lkw hatte sich in Höhe des Neunkircher Kreuzes gedreht, aus dem Tank liefen 300 Liter Dieseltreibstoff aus. Die A8: Im Blickfeld der Polizei war der Abschnitt bei Schwalbach. Nach einer Kollision eines Lkw mit einem Auto schleuderten beide Fahrzeuge in die Leitplanken. Teile davon ragten auf die Gegenfahrbahn. Zeitweise waren beide Strecken dicht. pbe

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