Und sie bewegt sich doch?

Freiburg · Bevor Robert Zollitsch 2014 sein Amt als Vorsitzender der Bischofskonferenz abgibt, will er Reformen in der katholischen Kirche auf den Weg gebracht haben. Ein Anfang wurde bei der Diözesanversammlung in Freiburg gemacht.

Robert Zollitsch, Freiburger Erzbischof und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, hat lange zugehört. 300 von ihm berufene katholische Experten haben vier Tage lang beraten, wie die Kirche der Zukunft aussehen soll und welche Veränderungen notwendig sind. Dann, zum Abschluss der Diözesanversammlung in Freiburg, bezieht Zollitsch Stellung. Und stellt Weichen für die Zukunft. Der oberste katholische Bischof in Deutschland sagt Reformen zu. Die katholische Kirche bricht mit Tabus - bei angezogener Handbremse. Denn vieles bleibt vorerst vage.

"Es gibt eine Unruhe und Unzufriedenheit in der katholischen Kirche", sagt Anette Bernards. Die Jura-Professorin steht für die Kirchenbasis. Die Versammlung in Deutschlands zweitgrößter Diözese hat Signalwirkung. Es war das deutschlandweit erste Treffen dieser Art unter der Leitung von Zollitsch. Der ist mit dem Ergebnis zufrieden: "Diese Erfahrung hat Mut gemacht. Es gab eine Atmosphäre von Offenheit und Freiheit." Zollitsch fordert die Kirche dazu auf, die angestoßene Reformdebatte fortzuführen. "Ich stehe dafür ein, dass die Themen auf dem Tisch und damit präsent bleiben." Die katholische Kirche könne nur durch Veränderung Glaubwürdigkeit und Stärke zurückgewinnen.

Erste Ergebnisse sollen dabei helfen. Zentrale Aussage: Die katholische Kirche will künftig auch Frauen als Diakone zulassen. Das Diakonat der Frau, wie es unter anderem vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) schon lange gefordert wird, ist nach den Worten von Zollitsch kein Tabu mehr. Für Frauen soll es demnach ein spezielles Amt als Diakoninnen geben. Diakone sind an der Seite des Priesters in der Seelsorge tätig, haben aber keine Priesterweihe. Bislang dürfen nur Männer Diakone werden. Sie sollen sich auch weiter von der Diakonin unterscheiden. In welcher Form, ist noch unklar. Fest steht aber: Auf einer Stufe werden sich Frauen und Männer wohl nicht bewegen.

Auch die Situation von Katholiken, die geschieden sind und wieder geheiratet haben, soll verbessert werden. Ihnen soll zum Beispiel der Zugang zu kirchlichen Ämtern, wie dem Pfarrgemeinderat, ermöglicht werden. Von diesen sind sie bislang ausgeschlossen. Zudem wird geprüft, ob wiederverheiratete Geschiedene Sakramente wie die Kommunion erhalten können oder beichten dürfen. Ihm liege daran, dass diese Frauen und Männer in der Kirche ernst genommen würden, sich respektiert und heimisch fühlten, sagt Zollitsch - "ohne die Unauflöslichkeit der Ehe aufzukündigen". Wie der Spagat gelingen soll, bleibt zunächst offen. Auch einen konkreten Zeitplan gibt es nicht. Das Thema ist in der Kirche schon lange umstritten.

Geplant ist zudem eine Reform des Arbeitsrechtes. "Wir wollen unser Arbeitsrecht den geänderten Lebensformen der Menschen anpassen." Dies betrifft zum Beispiel das Verhältnis der Kirche zu Homosexuellen. Zudem sollen künftig auch Nicht-Katholiken in kirchlichen Einrichtungen arbeiten dürfen. Hintergrund: Vor allem im Osten Deutschlands sei es zunehmend schwer, Mitarbeiter zu finden, die dem katholischen Glauben angehören. Konkrete Ergebnisse allerdings soll es frühestens in drei Jahren geben.

Im Ringen um Reformen in der Bischofskonferenz erhofft sich Zollitsch mit den Entscheidungen aus Freiburg Rückendeckung. Der 74-Jährige fordert zum Handeln auf. Es geht auch um eine Art Vermächtnis. In weniger als einem Jahr endet seine sechsjährige Amtszeit als Chef der Bischöfe altersbedingt.

"Der Erzbischof kann nun für sich in Anspruch nehmen, im Sinne der Kirchenbasis zu sprechen", sagt Thomas Berg von der Führungsakademie Baden-Württemberg. Er hat die Versammlung moderiert. Und ist angetan. "Ich habe noch nie einen Strategieentwicklungsprozess erlebt, der so transparent war wie dieser."

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