Und läuft, und läuft, und läuft

Es waren zähe Verhandlungen beim Kamingespräch mit der Kanzlerin. Bis Freitagmorgen feilschten die Ministerpräsidenten der Union mit CDU-Chefin Angela Merkel in Hessens Landesvertretung um Geld aus der Atomsteuer. Als Ausgleich für die im Schnitt zwölf Jahre längeren Laufzeiten sollen die Konzerne bis 2016 jährlich 2,3 Milliarden Euro an den Bund zahlen

 Blick in den Reaktor des Kernkraftwerks Gundremmingen, das nun auch länger laufen wird. Foto: dpa

Blick in den Reaktor des Kernkraftwerks Gundremmingen, das nun auch länger laufen wird. Foto: dpa

Es waren zähe Verhandlungen beim Kamingespräch mit der Kanzlerin. Bis Freitagmorgen feilschten die Ministerpräsidenten der Union mit CDU-Chefin Angela Merkel in Hessens Landesvertretung um Geld aus der Atomsteuer. Als Ausgleich für die im Schnitt zwölf Jahre längeren Laufzeiten sollen die Konzerne bis 2016 jährlich 2,3 Milliarden Euro an den Bund zahlen. Am Morgen nach der Nachtrunde ist es Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der kurz vor der entscheidenden Bundesratssitzung weißen Rauch aufsteigen lässt.

Geld für die Länder?

Der Bund prüft als Kompromiss bis Mitte 2012 die Folgen der Steuer für die Länderhaushalte - somit könnte es am Ende Geld für die Länder geben. "Ich glaube, das ist ein vernünftiger Kompromiss", sagt Bouffier. Weil die Konzerne die Aufwendungen als Betriebsausgaben absetzen können, fürchten Länder und Kommunen Ausfälle von 600 Millionen Euro jährlich bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer.

Um es schwarz auf weiß zu haben, musste Merkels Staatsminister im Kanzleramt, Eckart von Klaeden (CDU), im Bundesrat eine Kompromiss-Erklärung zu der Atomsteuer abgeben. Im Gegenzug verzichteten die Unionsländer darauf, mit den SPD-Ländern den Vermittlungsausschuss anzurufen. Das hätte die Einführung der milliardenschweren Steuer verzögern können. Die Folge: weniger Einnahmen.

Ein Teil des Geldes aus der Besteuerung von Brennelementen soll auch in die Sanierung des maroden Atommülllagers Asse fließen. Und dabei sieht sich die Regierung wieder mit dem Problem konfrontiert, dass sie mit längeren Atomlaufzeiten hunderte Tonnen mehr an radioaktiven Abfällen erlaubt.

Merkel dürfte froh sein, dass ihr nach der Eskalation bei der Atomabstimmung im Bundestag eine Schlappe durch die eigenen Länderfürsten im Bundesrat erspart geblieben ist. Während die Länder ihr Atompaket passieren lassen, ist sie wenige hundert Meter entfernt auf einer hinteren Bank des Bundestags scherzend und tuschelnd mit FDP-Vizekanzler Guido Westerwelle zu sehen. Gemeinsam blättern sie im Buch des früheren SPD-Finanzminister Peer Steinbrück zur Finanzkrise.

Wulff ist am Zug

Aber so ganz sicher, kann sie sich auch jetzt noch nicht sein. Denn Bundespräsident Christian Wulff wird in den nächsten Wochen eingehend prüfen, ob die Atomgesetze rechtens sind - ob der Bundesrat das Atompaket mit den längeren Laufzeiten nur abnicken durfte und ob er nicht hätte die Möglichkeit bekommen müssen, es komplett zu stoppen.

Wulffs Problem ist, dass in seiner Zeit als niedersächsischer CDU-Ministerpräsident sein Sprecher eine Zustimmung des Bundesrats für erforderlich hielt. Er selbst hielt sich bedeckt. Über 120 000 Menschen haben sich bereits mit einem Online-Appell unter dem Motto "Wulff tu's nicht" hinter die Forderung gestellt, "einen kalkulierten Verfassungsbruch zu stoppen". Bis heute hat die Regierung nach Meinung der Opposition nicht öffentlich detailliert dargelegt, warum sie trotz eines anderslautenden Gutachtens für das Umweltministerium das deutliche Laufzeitplus auch ohne Bundesratszustimmung für rechtens hält. SPD, Grüne und Linke wettern, die Regierung habe ihr Atomgesetz mangels eigener Mehrheit in der Länderkammer nach ihrem Gutdünken zurechtgezimmert.

Wenn Wulff unterschreibt, gibt es daher für Merkel immer noch keine Sicherheit, ob der Kompromiss 2011 übersteht. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) betont, dass die SPD-geführten Länder "das Bundesverfassungsgericht anrufen werden, um das Atompaket zu kippen". Man rede hier nicht über irgendeinen Interessenkonflikt, sondern über eine Frage, die von elementarster Bedeutung für die Sicherheit der Menschen sei. Auch Saar-Umweltministerin Simone Peter hat sich dezidiert gegen längere Laufzeiten ausgesprochen.

Hintergrund

Die saarländische Umweltministerin Simone Peter (Grüne) hat vor dem Bundesrat dafür plädiert, in der Frage der Verlängerung der Atomlaufzeiten "den Vermittlungsausschuss anzurufen und die Aufhebung des Gesetzesbeschlusses zu betreiben". Im Folgenden Auszüge aus Ihrer Rede:

 Blick in den Reaktor des Kernkraftwerks Gundremmingen, das nun auch länger laufen wird. Foto: dpa

Blick in den Reaktor des Kernkraftwerks Gundremmingen, das nun auch länger laufen wird. Foto: dpa

"Durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien, den Einsatz hocheffizienter konventioneller Kraftwerke und die Steigerung der Energieeffizienz lassen sich bis 2020 alle deutschen Atomkraftwerke ersetzen. Die ohne Not vorgenommene Änderung der Laufzeiten der Atomkraftwerke macht demgegenüber langfristige Planungen und Investitionen (. . . ) hinfällig und unrentabel. Sie blockiert darüber hinaus den notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien." red

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