Uli Hoeneß kämpft um seinen Ruf

Am Tag eins nach dem Urteil in seinem spektakulären Steuerprozess spendiert Uli Hoeneß Nürnberger Würstchen und Semmeln. Er sitzt auf der Terrasse seines Hauses im oberbayerischen Bad Wiessee – und bestellt Verpflegung für die Fotografen, die vor seinem Anwesen warten.

Eine Frau aus einem nahe gelegenen Wirtshaus bringt die Mahlzeit vorbei - ob die Würstchen aus seiner eigenen Herstellung stammen, ist unklar. "Schöne Grüße vom Uli Hoeneß", sagt sie und fügt lachend hinzu: "Es sind keine Handgranaten drin."

Dabei ist seit gestern klar: Uli Hoeneß wird ins Gefängnis gehen. Er hat sich entschieden und tritt nicht nur ab von der Spitze des FC Bayern, dessen Gesicht er jahrzehntelang war, er will auch vor Gericht nicht mehr für ein milderes Urteil kämpfen. Die Revision, die sein Verteidiger nach dem Urteil von drei Jahren und sechs Monaten Haft noch überzeugt angekündigt hatte, ist für Hoeneß vom Tisch. "Ich habe meine Anwälte beauftragt, nicht dagegen in Revision zu gehen", schreibt er in einer persönlichen Stellungnahme. "Das entspricht meinem Verständnis von Anstand, Haltung und persönlicher Verantwortung. Steuerhinterziehung war der Fehler meines Lebens. Den Konsequenzen dieses Fehlers stelle ich mich."

Diese Konsequenzen bedeuten, dass Hoeneß in wenigen Wochen hinter Gitter muss, in die Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech - nur 70 Kilometer von der Allianz-Arena entfernt und doch in einer anderen Welt. Dort wird Hoeneß nicht mehr der große Bayern-Patron sein, sondern ein ganz normaler Strafgefangener.

Wahrscheinlich hat Hoeneß eingesehen, dass eine Revision das Dilemma nur verlängert hätte. Zudem sind zahlreiche Juristen der Ansicht, der gefallene Fußball-Held sei bei einer Steuerschuld von 28,5 Millionen Euro mit einer Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten gar nicht so schlecht weggekommen. Die Staatsanwaltschaft kann freilich immer noch Rechtsmittel einlegen. Beim FC Bayern, seinem "Lebenswerk", wären wohl auch ohne Hoeneß' Schritt Konsequenzen unvermeidlich gewesen. Welcher Fußballverein kann sich schon einen Präsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden leisten, der ein verurteilter Krimineller ist? Es ist wohl eine weise Entscheidung von Hoeneß, es darauf nicht ankommen zu lassen - nicht darauf, dass seine Vorstands- und Aufsichtsratskollegen ihn vom Thron stoßen und vor allem nicht darauf, dass er eine weitere Auseinandersetzung vor Gericht verliert und als unbelehrbar und uneinsichtig dasteht.

Hoeneß wählt einmal mehr die Rolle des reumütigen Sünders - und weil das in diesem Fall unwiderruflich eine Haftstrafe bedeutet, nehmen viele ihm diese Rolle nun eher ab als noch vor wenigen Tagen bei der Verlesung seines Geständnisses vor Gericht. Plötzlich scheint er wieder durch, der Uli Hoeneß, den viele mochten, viele hassten, fast alle aber respektierten. Auch die Reichen und Mächtigen, die ihn erst jahrelang hofierten und nach den Vorwürfen gegen ihn dann auf Abstand gingen, zeigen sich beeindruckt von seiner Entscheidung. "Die Tatsache, dass Uli Hoeneß jetzt dieses Urteil so angenommen hat, nötigt mir hohen Respekt ab", sagt Kanzlerin Angela Merkel. Und auch in den sozialen Netzwerken, die am Donnerstag noch in erster Linie mit Häme auf das Urteil reagiert hatten, schien sich die Meinung über den zurückgetretenen Bayern-Präsidenten und künftigen Häftling ein klein wenig zu drehen. Der Journalist Christian Jakubetz etwa twitterte: "Heute muss der erste Tag der zweiten Chance für Uli #Hoeness sein." Vielleicht hat Hoeneß mit seiner Entscheidung den Grundstein dafür gelegt, dass er diese zweite Chance tatsächlich eines Tages bekommt.

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