Ukraine nein, Polen ja?

Berlin. Zumindest im Bundestag ist man völlig entspannt: Die Organisatoren der Fußball-Europameisterschaft hätten beim Spielplan Rücksicht auf die Arbeit des Parlaments genommen, wurde gestern seitens der Verwaltung geflachst. Alle Spiele der Nationalelf, auch nach einem möglichen Weiterkommen, würden um 20.45 Uhr angepfiffen

Berlin. Zumindest im Bundestag ist man völlig entspannt: Die Organisatoren der Fußball-Europameisterschaft hätten beim Spielplan Rücksicht auf die Arbeit des Parlaments genommen, wurde gestern seitens der Verwaltung geflachst. Alle Spiele der Nationalelf, auch nach einem möglichen Weiterkommen, würden um 20.45 Uhr angepfiffen. "Das kollidiert nicht mit der Tagesordnung der beiden Sitzungswochen während der EM." Public Viewing im Reichstag für Abgeordnete und Mitarbeiter soll es deshalb vorerst nicht geben. Wenn heute die EM angepfiffen wird, schaut auch das politische Berlin nach Polen und in die Ukraine. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), ebenso für den Sport hierzulande zuständig, ist zuversichtlich: "Schon die Vorrunde wird ein echter Härtetest für unsere Mannschaft. Aber ich bin sicher, dass Jogi Löw die Jungs bestens vorbereitet hat", so der Minister zur SZ. Friedrich tippt sogar auf ein Endspiel Deutschland gegen Spanien, das die Deutschen mit 2:1 gewinnen würden.Seine Chefin, Kanzlerin Angela Merkel, ist offenbar ähnlich optimistisch. Merkel besuchte am Mittwochabend "ihre Mannschaft" im EM-Quartier bei Danzig und spürte dabei einen "wunderbaren Mannschaftsgeist und viel Zusammenhalt unter den Spielern". Die Kanzlerin ist Maskottchen der deutschen Elitekicker. In der Regel fehlt sie auf der Ehrentribüne nicht, wenn es um Pokale und Titel geht. Diesmal ist das anders. Die Debatte um die Menschenrechtslage in der Ukraine, wo die deutsche Mannschaft alle ihre Vorrundenspiele austragen wird, und der Umgang des Regimes mit Oppositionsführerin Julia Timoschenko haben Merkel dazu veranlasst, erst einmal den Partien fernzubleiben. Innenminister Friedrich verzichtet ebenso wie die anderen Kabinettsmitglieder auf den Besuch der drei Vorrundenspiele in der Ukraine, um eine weitere Politisierung des Turniers zu verhindern. Danach will er neu entscheiden.

So hält es auch Merkel. Ihr Terminkalender ist gleichwohl innen- wie außenpolitisch voll. "Von dem wird es auch abhängen", so Regierungssprecher Steffen Seibert. Anders als bei der Ukraine gibt es im Verhältnis zu Polen keinerlei Verstimmungen. Sollte es also ein Viertelfinale mit deutscher Beteiligung geben, ist es gut möglich, dass die fußballbegeisterte Merkel dabei sein wird. Danzig oder Warschau wären die Austragungsorte. Das Halbfinale würde dann wieder in der Ukraine stattfinden, genauso wie das Finale. Sollten die Deutschen so weit kommen, stellt sich für Merkel, aber auch für Bundespräsident Joachim Gauck und Innenminister Friedrich erneut die Frage, ob sie dorthin reisen. Eine öffentliche Diskussion darüber dürfte garantiert sein.

Die Vorsitzende der Sportausschusses des Bundestages, Dagmar Freitag (SPD), hofft, dass die Debatte über einen möglichen Boykott der EM nicht wirkungslos geblieben ist. "Wenn die Ehrentribünen nicht allzu gut besetzt sind, dann ist ein Teilziel erreicht." Anders als sonst bei Sport-Großereignissen werden auch die Mitglieder des Ausschusses nicht zum Turnier fahren. has

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