SPD Zu viele Schmollecken bei der GroKo-Wundertüte

Von Georg Ismar

BERLIN (dpa) Nach der SPD steckt am Wochenende auch der CDU-Vorstand den Kurs ab, Unions-Fraktionschef Volker Kauder betont, die Stärkung von Polizei und Justiz sei wichtiger als Steuersenkungen – eine Antwort auf die zunehmende Unsicherheit bei den Bürgern in einer nervösen Republik. Damit könnte die SPD auch gut leben, aber es kristallisiert sich nach dem SPD-Beschluss für „ergebnisoffene“ Gespräche mit der Union ab Mittwoch heraus, dass die Konfliktlinie vor allem zwischen SPD und CSU verlaufen könnte. Bei der CSU kommen interne Baustellen hinzu.

CSU-Chef Horst Seehofer will das letzte Wort haben, sein „Parteifreund“ und designierter bayerischer Ministerpräsident Markus Söder streut aber gleich schon einmal etwas Salz an die Adresse der SPD: „Bürgerversicherung und Steuererhöhungen sind doch nicht die Antworten auf die drängenden Fragen“, sagt er der „Welt am Sonntag“.

Das Projekt neue GroKo wirkt wie eine Wundertüte – Ausgang völlig offen – und die SPD hat keinen klaren Kompass. SPD-Chef Martin Schulz reagiert beim Parteitag in Berlin im Schlusswort spürbar dünnhäutig auf Kommentare von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, die SPD komme endlich aus ihrer Schmollecke, wenn sie nun mit der Union über eine Regierungsbildung sprechen werde. „Wir sitzen nicht in einer Schmollecke, aber ihr habt den Karren an die Wand gefahren“, koffert Schulz zurück.

Offiziell schreitet die SPD zwar  Seit‘ an Seit‘ – aber Schulz steht massiv unter Druck. Scheitert er bei der Mission GroKo und kommt es auch nicht zu der von vielen in der SPD favorisierten, aber von Merkel nicht gewollten Minderheitsregierung, dann drohen Neuwahlen. Im Hintergrund lauern schon einige, um Schulz trotz seiner Wiederwahl mit 81,9 Prozent dann doch noch zu stürzen. Dann liefe es womöglich – trotz eines Denkzettels bei der Wiederwahl zum SPD-Vize (59,2 Prozent) – auf Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz zu, er gilt auch als aussichtsreicher Kandidat, wenn ein neuer Kanzlerkandidat gebraucht würde. Es knirscht im SPD-Gebälk, einige halten Schulz für eine Fehlbesetzung. Ihm könnte die GroKo politisch das Überleben sichern. Er kämpft, aber das Misstrauen nach seinem zweifachen Basta-Ausschluss einer großen Koalition und anschließender 180-Grad-Wende ist spürbar. Die Jusos konnte er nicht einfangen, sie bleiben beim Nein zur GroKo.

Auch Merkels und Seehofers Position ist schwächer als vor der Wahl. „CDU, CSU und SPD wirken in der politischen Landschaft wie drei Krater, in denen es in unterschiedlicher Intensität brodelt und zischt“, meint die „Süddeutsche Zeitung“. Schulz braucht ein paar Trophäen, etwa Zusagen zu einer Stärkung Europas, Milliarden für die Pflege und den sozialen Wohnungsbau, eine Sicherung der Renten, ein Rückkehrrecht in Vollzeit gerade für Frauen, wenn sie eine Zeit lang Teilzeit gearbeitet haben. Doch was können Merkel und Seehofer geben, ohne in den eigenen Reihen noch stärker unter Druck zu geraten?

Richtig dicke Brocken werden die Themen des SPD-Herzprojekts einer Bürgerversicherung und die Wiedervorlage des Jamaika-Streitthemas Nummer 1: Flüchtlinge. Die SPD hat die Grünen-Forderung übernommen, wonach der bis März ausgesetzte Familiennachzug bei Flüchtlingen wieder möglich sein soll. Eine rote Linie gerade für die CSU.

Es ist ausgerechnet Schulz-Vorgänger Sigmar Gabriel, der bei diesem Thema das einzige Mal beim Parteitag das Wort ergreift. Und der in der Partei nicht beliebte Außenminister fordert mehr Realitätssinn. „Auch die deutsche Sozialdemokratie muss sich ehrlich machen über die Probleme und darf sich nicht spalten“, sagt Gabriel. Er verweist darauf, dass die Kommunalpolitiker der SPD den Flüchtlingszuzug viel skeptischer betrachten als die Bundespolitik.

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