Übervater Strauß bleibt das Maß aller Dinge

München. Der Tod kam überraschend: Selbstbewusst wie immer startet der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß am 1. Oktober 1988 mit dem Hubschrauber vom Münchner Oktoberfest aus zu einem Jagdausflug. Kaum ausgestiegen, bricht der 73-Jährige mit Kreislaufversagen zusammen und stirbt zwei Tage später im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Regensburg

 Franz Josef Strauß auf dem CSU-Parteitag in München 1985. Foto: dpa

Franz Josef Strauß auf dem CSU-Parteitag in München 1985. Foto: dpa

München. Der Tod kam überraschend: Selbstbewusst wie immer startet der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß am 1. Oktober 1988 mit dem Hubschrauber vom Münchner Oktoberfest aus zu einem Jagdausflug. Kaum ausgestiegen, bricht der 73-Jährige mit Kreislaufversagen zusammen und stirbt zwei Tage später im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Regensburg. Es war das jähe Ende eines der profiliertesten, aber auch widersprüchlichsten Politiker der alten Bundesrepublik.

Seine politischen Ämter und Aktivitäten, gewaltigen Wortgefechte und Skandale sind kaum aufzuzählen. Vom Mitbegründer der CSU stieg er zum Vorsitzenden der Partei auf, unter Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) fungierte er als Minister für besondere Aufgaben, auch als Ressortchef für Atomfragen, schließlich als Verteidigungsminister. Später Finanzminister, diente er der Großen Koalition unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU) und Außenminister Willy Brandt (SPD). Erfolglos trat er 1980 als Kanzlerkandidat der CDU/CSU gegen den amtierenden Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) an, übte aber weiterhin großen Einfluss auf die Politik der Regierung in Bonn aus.

Als Verteidigungsminister kämpfte Strauß 1958 an der Seite Adenauers verbissen für die atomare Bewaffnung der Bundeswehr und rief vor dem Bundestag zu einem "Stopp des Weltkommunismus in seinem Vormarsch" auf. Wer so rede, der schieße auch, lautete damals das Urteil des FDP-Vorsitzenden Reinhold Maier. In der Opposition zählte Strauß, der 1971 finanzpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion wurde, zu den schärfsten Gegnern der Ostpolitik von Bundeskanzler Brandt. Als 1972 die beiden deutschen Staaten den Grundlagenvertrag unterzeichneten, der "normale gutnachbarliche Beziehungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung" einforderte, klagte Strauß erfolglos vor dem Bundesverfassungsgericht.

Feines analytisches Gespür

Doch sein feines analytisches Gespür für die Entwicklung des Ost-West-Gefüges ließ Strauß überraschende Wendungen vor allem auch in seiner Haltung zur DDR vollziehen. 1983 fädelte er mit Unterstützung von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) einen ersten Milliardenkredit für die von chronischem Devisenmangel geplagte DDR ein. Mehr noch als die Dutzenden Bonner Politiker, die sich in Ost-Berlin die Klinke in die Hand gaben, entwickelte er ein spezielles Verhältnis zum Staats- und SED-Chef Erich Honecker. Im Juli 1983 fuhr er zu ihm in die DDR und debattierte mit ihm, was zu tun sei, um eine atomare Katastrophe von deutschem Boden fern zu halten.

Als Honecker während seines Staatsbesuches 1987 bei Kohl in Bonn auch München besuchte, bereitete ihm Strauß mit einer Ehrenformation sowie dem Abspielen der DDR- und der Bayernhymne einen besonders aufmerksamen Empfang. Damit, so meinte Strauß, mögen "die Menschen in der DDR an diesem Tag auch ein gewisses Selbstbewusstsein empfunden haben, jetzt wieder als Deutsche anerkannt zu sein." In seiner Tischrede zum Empfang Honeckers aber redete Strauß Klartext: "Wir wollen die Einheit der deutschen Nation erhalten", erklärte er. Die Mauer in Berlin "passt nicht mehr in die neue Phase weltpolitischer Entwicklung, in die wir hoffentlich eingetreten sind." Ihren Fall zwei Jahre später hat Strauß nicht mehr erlebt.

Auf einen Blick

In der CSU bewundert, von den Gegnern gefürchtet wie verabscheut, prägte Franz Josef Strauß markige Sprüche:

 Franz Josef Strauß auf dem CSU-Parteitag in München 1985. Foto: dpa

Franz Josef Strauß auf dem CSU-Parteitag in München 1985. Foto: dpa

1980: "Wenn ich jemanden beschimpfe, dann tue ich das in voller Klarheit." 1978: "Helmut Schmidt und ich kennen uns sehr gut. Wenn er mich anredet 'Alter Gauner' und ich sage 'Alter Lump', so ist das durchaus eine von gegenseitiger Wertschätzung (…) getragene Formulierung." 1970: "Ich bin ein Deutschnationaler und fordere bedingungslosen Gehorsam." 1969: "Ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen vollbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen." 1971: "Ich will lieber ein kalter Krieger sein, als ein warmer Bruder." 1974: "Was wir hier in diesem Land brauchen, sind mutige Bürger, die die roten Ratten dorthin jagen, wo sie hingehören - in ihre Löcher." 1968: "Es ist reizvoller, in Alaska eine Ananasfarm zu errichten, als Bundeskanzler zu werden." dpa

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