Arbeitswelt Kammer: Überstunden in Saar-Firmen ufern aus

Saarbrücken · Die Arbeitskammer fordert eine Zeiterfassung in allen Betrieben. Nur so seien gerechtere Arbeitsbedingungen möglich.

  Ein Mann sitzt in einem Büro n seinem Computer-Arbeitsplatz (Symbolfoto).

Ein Mann sitzt in einem Büro n seinem Computer-Arbeitsplatz (Symbolfoto).

Foto: dpa/Oliver Berg

In immer mehr saarländischen Unternehmen leisten Beschäftigten zunehmend unbezahlte Überstunden. Auch steigt die Belastung durch Schichtdienste  und höhere Krankenstände stark an. Zu diesem Ergebnis kommt das „Betriebsbarometer 2017“ der Arbeitskammer des Saarlandes. Hierzu wurden die Angaben von 231 Arbeitnehmervertretungen landesweit ausgewertet, die nach Angaben der Kammer rund 117 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte repräsentieren. Alarmierend sei vor allem, dass mittlerweile rund 90 Prozent der abhängig Beschäftigten Überstunden leisten, aber selbst in Firmen, die einen Betriebsrat haben, meist keinen Ausgleich für Mehrarbeit bekommen. Nur in 23 Prozent der Unternehmen mit einer betrieblichen Interessenvertretung gebe es für Überstunden mehr Geld oder Freizeit, sagte gestern Kammer-Vorstandschef Hans Peter Kurtz.

„Die im Saarland ausufernde Zahl an Überstunden kann nur durch eine funktionierende Arbeitszeiterfassung begrenzt werden“, forderte er. Nur so könnten die Beschäftigten wieder „mehr Arbeitszeitsouveränität“ erlangen. „Unbezahlte Arbeit und der Verfall von Urlaub sind selbst in mitbestimmten Betrieben ein weit verbreitetes Problem“, beklagte Kurtz. „Tatsächlich gibt es an der Saar in fast jedem zehnten Betrieb entweder gar keine Arbeitszeit­erfassung oder nur für weniger als die Hälfte der Beschäftigten.“

Nach Ansicht des Arbeitskammer-Chefs bringt das ungeregelte Prinzip der Vertrauensarbeitszeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nichts. In der Realität steige die Zahl der Überstunden immer weiter an, und es verstärke sich auch die Leistungsverdichtung, beispielsweise durch die Verkürzung von Taktzeiten an Bändern in Industriebetrieben. Besonders ältere Mitarbeiter hielten diese Leistungsverdichtung immer seltener aus, ohne krank zu werden. Beklagenswert seien die Zustände in saarländischen Unternehmen auch, wenn Beschäftigte, die Angehörige pflegen oder sich um Kinder kümmern müssen, flexiblere Lösungen bei der Arbeitszeit brauchen. Die Firmen würden ihren Mitarbeitern viel zu wenig entgegenkommen.

Im Betriebsbarometer der Arbeitskammer beurteilen jedoch gleichzeitig über die Hälfte der Befragten die Zukunftsaussichten der Betriebe und Dienststellen an der Saar als gut bis sehr gut. Sie erwarten zudem wegen der guten Wirtschaftslage weitere Neueinstellungen. Saar-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) fordert von den Firmen, stärker auf die veränderten Ansprüche der Beschäftigten einzugehen und flexiblere Arbeitszeiten zur Chefsache zu machen. Variable Arbeitszeiten seien sinnvoll, aber nur, wenn sie auch den Beschäftigten etwas brächten.

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