Vor der Sondierung in Berlin Über was die Sondierer reden – und bei welchen Themen es heikel wird

Berlin · Von Christiane Jacke, Basil Wegener und Ruppert Mayr

Auch wenn der Stil bei den Sondierungen anders werden soll als bei Jamaika; die Verhandlungen werden auch kein Spaziergang. Die 39 Unterhändler von Union und SPD – darunter auch drei Saarländer; mit Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, Kanzleramtsminister Peter Altmaier (beide CDU) und SPD-Landesvize Anke Rehlinger – liegen in vielen Punkten nicht auf gleicher Welle.

Migration: Das ist nach wie vor ein besonders schwieriges Thema. Nachdem sich die SPD in der Groko hier zu vielem hat breitschlagen lassen, will sie nun eine andere Richtung. Etwa beim Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus: Die SPD will ihn wieder ermöglichen, die Union ist vehement dagegen und will auch ihr Ziel durchsetzen, die Flüchtlingsaufnahme generell zu begrenzen auf 200 000 Menschen pro Jahr. Die CSU hat bei ihrer Winterklausur gerade erst eine Reihe von asylpolitisch scharfen Forderungen beschlossen, die der SPD nicht gefallen dürfte.

Europa: Es ist das Herzensthema von SPD-Chef Martin Schulz. Das von ihm ausgerufene Ziel der „Vereinigten Staaten von Europa“ hat die CSU bereits abgelehnt. Spannend wird sein, wie Deutschland auf die Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu einer deutlich vertieften Eurozone und EU reagiert. Nicht nur in der SPD, auch im Kanzleramt scheint man gewillt, Macrons Idee positiv aufzunehmen.

Gesundheit: Die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung könnte ein sozialpolitisches Aushängeschild einer neuen Groko werden. Eine Komplettumstellung auf die von der SPD geforderte einheitliche Bürgerversicherung wäre angesichts des übergroßen Widerstands der Union eher überraschend.

Arbeit: Viel hat die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in der vergangenen Legislatur in der Arbeitsmarktpolitik durchgesetzt – etwa den Mindestlohn. Nun will die SPD nachlegen, etwa beim Recht auf Rückkehr von Teilzeit- in Vollzeitarbeit oder bei der Eindämmung befristeter Jobs. Für die Union sind stabile Lohnnebenkosten ein wichtiger Punkt. Hier könnte es Konflikte geben.

Rente: Gute Chancen auf eine Verständigung gibt es bei einer Aufbesserung der Renten für langjährig Geringverdiener. Die von der CSU geforderte Ausweitung der Mütterrente bleibt wegen der Kosten von bis zu sieben Milliarden Euro umstritten. Langzeitkonzepte für eine Stabilisierung der Rente dürften eher aufgeschoben werden.

Finanzen: Die Sondierer werden mit ihren Wünschen irgendwann auf den Boden der finanzpolitischen Realität zurückgeholt. Auf bis zu 100 Milliarden Euro hatten Experten anfangs die Jamaika-Wünsche kalkuliert. Später waren es noch 30 bis 40 Milliarden Euro. Der geschäftsführende Finanzminister Altmaier dürfte auch die Wünsche von Union und SPD drosseln. Die SPD will Milliarden für die Modernisierung des Landes, und Steuererhöhungen für Reiche. Die Union wird dagegen halten.

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