„Über so viel Dummheit kann man nur weinen“

Berlin · Innerhalb weniger Tage wurden zwei US-Spione enttarnt. Berlin ist bemüht, die Fälle nicht allzu hoch zu kochen. So habe sich der Verdacht, dass einer der Spitzel den NSA-Untersuchungsausschuss ausgespäht hat, nicht erhärtet.

Noch während gestern das Parlamentarische Kontrollgremium in einem abhörsicheren Raum im Keller des Bundestages tagte, veröffentlichte Innenminister Thomas de Maizière (CDU ) eine interessante Presseerklärung. Darin las man den Satz: "Wenn es dabei bleibt, was wir jetzt wissen, sind die durch diese mutmaßliche Spionage gewonnenen Informationen lächerlich." Eine klare Ansage. Nur: Das Kontrollgremium gelangte nach gut zweieinhalbstündiger Sondersitzung zu den zwei mutmaßlichen US-Spionagefällen beim Bundesnachrichtendienst und im Verteidigungsministerium zu einer etwas anderen Bewertung.

Den Anfang mit dem offensichtlichen Herunterspielen machte allerdings Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ). Er sprach am Morgen von "drittklassigen Leuten", die angeworben worden seien: "Das ist so was von blöd, und über so viel Dummheit kann man auch nur weinen." Dichtung oder Wahrheit? Alles wirklich halb so schlimm, wie die beiden Minister vorgaben - oder ist der Schaden doch viel größer?

Fest steht: Beim jetzt bekannt gewordenen mutmaßlichen Spionagefall im Verteidigungsministerium liegt noch vieles im Dunkeln. Aus Sicherheitskreisen hieß es, hier gehe es um einen zivilen Mitarbeiter und nicht um einen Soldaten. Er habe sicherheitspolitische Themen bearbeitet. Der Spionageverdacht sei durch Beobachtungen des Militärischen Abschirmdienstes entstanden. Eine Bewertung des Vorgangs, so der Vorsitzende des Kontrollgremiums Clemens Binninger (CDU ), sei noch schwierig. "So eindeutig ist der Sachverhalt aber nicht, wie bisher getan wurde", betonte Binninger.

Anders indes beim Fall des vermeintlichen Spitzels beim BND, der in Untersuchungshaft sitzt, weil er zwei Jahre lang für die Amerikaner gegen Bezahlung Informationen abgeschöpft haben soll. Im Kontrollgremium erfuhren die Parlamentarier, dass er 218 zum Teil mehrseitige Dokumente im Umfang von insgesamt fünf Aktenordnern am Körper mit nach Hause genommen habe, um sie dort auf einem USB-Stick zu archivieren und dann weiterzuleiten. Nur ein Dokument habe sich mit dem NSA-Ausschuss beschäftigt, und das sei eine Anweisung von BND-Präsident Gerhard Schindler gewesen, keine Akten mehr zu schreddern. Der Verdacht, dass der Spitzel den Untersuchungsausschuss ausgespäht habe, sei damit "gegenstandslos", so Binninger.

Der Grüne Christian Ströbele meinte mit Blick auf die entwendeten Dokumente: "Das ist schon ein ganz, ganz dicker Hund." Der Linke André Hahn sprach von "brisanten Unterlagen", die an den US-Geheimdienst geliefert worden seien. "Ich halte sie nicht für lächerlich."

Nun muss abgewartet werden, bis das Kontrollgremium das Material gänzlich gesichtet hat. Als Reaktion darauf, dass die US-Regierung seit einem Jahr mauert bei der Aufklärung der NSA-Affäre und der neuen Spionage-Vorwürfe, wurde gestern der Repräsentant der US-Nachrichtendienste an der Botschaft der Vereinigten Staaten aufgefordert, Deutschland zu verlassen. Er ist für die Kontaktpflege zu den deutschen Diensten zuständig. Das sei eine richtige Reaktion, befand der SPD-Politiker Burkhard Lischka. Aus Sicht von Linke und Grüne reicht das aber nicht: Hahn verlangte auch eine Aussetzung der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen. Und Ströbele eine Überprüfung der Vereinbarung mit den USA über NSA- und CIA-Außenstellen in Deutschland.

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