Charlottesville Ärger über Trumps plötzliches Schweigen

Washington · Während er gerade noch mächtig gegen Nordkorea geiferte, blamiert sich der US-Präsident im eigenen Land mit Worthülsen – im Fall Charlottesville.

() Bisher ist Donald Trump fast immer für das kritisiert worden, was er gesagt hat. Diesmal ist es umgekehrt: Über die Parteigrenzen hinweg gibt es Empörung über das, was er ausgelassen hat. Trumps mehr als laue Reaktion auf die Eskalation der Gewalt bei der Demonstration von Rechtsextremisten in Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia fiel umso stärker auf, weil der Republikaner just zuvor in der Nordkorea-Krise rhetorisch-bombastisch alle Register gezogen hatte.

In der Südstaaten-Stadt hatten sich am Samstag mehrere Hundert Rechtsradikale versammelt, um gegen die Demontage eines Bürgerkriegs-Denkmals zu protestieren. Richard Spencer, Anführer der Alt-Right-Bewegung, die den Wahlsieg Donald Trumps mit Heil-Trump-Rufen feierte, war ebenso da wie David Duke, einst Imperial Wizard des Ku-Klux-Klan. Nachdem schon Schlägereien mit Gegendemonstranten zahlreiche Verletzte gefordert hatten, eskalierte der Konflikt, als ein Auto in eine Gruppe von Gegendemonstranten raste und eine Frau starb.

Jetzt hätten sich viele in Trumps Reaktion etwas von dem „Feuer“ und der „Wut“ gewünscht, mit der er Pjöngjang gedroht hatte. Doch die blieben aus. „Trump babbelt im Angesicht einer Tragödie.“, lautete eine Überschrift in der „Washington Post“. Nicht jeder Präsident sei gleichermaßen gut darin, in schweren Zeiten die Nation zu einen, zu trösten, moralische Klarheit in der Mitte von Konfusion zu vermitteln, hieß es darin. „Aber bisher war keiner unfähig dazu. Bis Donald Trump.“

Kritiker haben ihm schon seit langem Herumeierei angelastet, wenn es darum geht, die Ultraechte zu verurteilen – die ihn gewählt hat und aus seinem Sieg eine neue Legitimation ableitet. Manche kamen mit Trump-Plakaten nach Charlottesville, und Ku-Klux-Klaner Duke erklärte vor laufenden Kameras, das hier sei ein „Wendepunkt“ für eine Bewegung, die „die Versprechen von Donald Trump erfüllen“ wolle.

Der reagierte quälend langsam. Als die Szenen von prügelnden Rechtsextermen längst über die Bildschirme flimmerten, ließ er erst einmal First Lady Melania den Vortritt, die twitterte: „Unser Land ermutigt zu freier Meinungsäußerung, aber lass uns ohne Hass in unseren Herzen kommunizieren. Nichts Gutes entsteht aus Gewalt.“

Dann folgte Paul Ryan, der Top-Republikaner im Abgeordnetenhaus, der die Gewalt in Charlottesville als „widerwärtig“ bezeichnete. Und mit solchen Reaktionen ging es weiter, Schlag auf Schlag.

Virginias Gouverneur Terry McAuliffe hatte bereits den Ausnahmezustand für Charlottesville erklärt, da hatte sich Trumps sonst so reger Twitterfinger immer noch nicht bewegt. Als er es schließlich tat, kam das heraus: „Wir ALLE müssen zusammenstehen & alles verurteilen, für das Hass steht. Es gibt keinen Platz für diese Art von Gewalt in Amerika.“ Das Wort Rechts­extremisten oder Rassisten fiel nicht. Später, in einer Rede, machte er es noch schlimmer, als er versuchte, „die Gewalt als eine chronische überparteiliche Plage zu porträtieren“ und zwar „auf vielen Seiten“.

Der Präsident habe sich darauf bezogen, dass es in Charlottesville Gewalt zwischen Demonstranten und Gegendemonstranten gegeben habe, versuchte eine Sprecherin des Weißen Hauses später diese Äußerung zu erklären – und gab Kritikern damit noch mehr Wasser auf die Mühlen.

Aber was in Trumps Äußerungen fehlte oder bestenfalls schräg war, spiegelte sich wohl am besten in Reaktionen auf der Neonazi-Webseite „The Daily Stormer“ wider. Da wurde bejubelt, dass Trump praktisch nichts gegen sie gesagt habe – „überhaupt keine Verurteilung“.

Nur die Tochter und Beraterin des Präsidenten, Ivanka Trump, setzte sich gestern von ihrem Vater ab – und kritisierte explizit den Aufmarsch der Rechtsextremen.

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