„Thomas Bach hat Olympia in seiner DNA“

Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes, erklärt im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß, warum Thomas Bach IOC-Präsident wird. Einen Favoriten für Olympia 2020 hat er nicht.

Herr Vesper, welche Stadt ist Ihr Favorit für Olympia 2020?

Vesper: Ehrlich, ich habe keinen. Ich habe mehrfach die Präsentationen aller drei Städte gesehen, alle werben mit Leidenschaft und sehr guten Konzepten, die exzellente Spiele versprechen. Vielleicht lag Tokio da wegen der Kompaktheit der Anlagen bislang hauchdünn vorn, aber das ist nur mein persönlicher Eindruck. Es scheint ein sehr enges Rennen zu werden, weshalb die abschließende Präsentation entscheidend sein könnte.

Wird die Lage am Atomreaktor in Fukushima das IOC beeinflussen?

Vesper: Die fürchterliche Katastrophe hat niemand vergessen. Natürlich muss das Gastgeberland garantieren, dass weder die Athleten noch das Publikum einer Gefahr ausgesetzt werden. Tokios Bewerbung ist gewiss auch dadurch motiviert, Japan und seinen Menschen durch ein positives Gemeinschaftsprojekt wieder etwas Hoffnung zu geben. Das ist sicher ein Teil des Spirits der Bewerbung. Abgesehen davon hat jede Bewerberstadt aktuelle Herausforderungen zu meistern, deshalb ist das Rennen ja auch so eng.

Aber das Krisenmanagement in Japan muss Sie doch entsetzen - nicht zuletzt als Grüner.

Vesper: Ja, das tut es auch - seit Beginn der Katastrophe und auch aktuell wieder. Aber dafür darf man nicht die Menschen bestrafen. Olympia ist ein Weltereignis, das die Katastrophe nicht ungeschehen machen, aber zur Verarbeitung und Bewältigung vielleicht einen kleinen Beitrag leisten kann.

Bei der Wahl zum IOC-Präsidenten gilt DOSB-Chef Bach als Favorit. Was zeichnet ihn aus?

Vesper: Thomas Bach hat Olympia in seiner DNA. Er war selbst erfolgreicher Fechter, ist Olympiasieger. Dazu verfügt er über ein Höchstmaß an sportpolitischer Erfahrung. Im IOC erfährt er durch seine langjährige Tätigkeit als Vize-Präsident, Chef der Juristischen Kommission und zahlreicher Disziplinarkommissionen große Unterstützung und Anerkennung. Bach war es, der 1981 maßgeblich für die Gründung der Athletenkommission gesorgt hat, die die Interessen der Sportler vertritt. Außerdem hat er bereits seit dieser Zeit den Anti-Dopingkampf im IOC, später auch im DOSB seit seiner Gründung 2006 durch Null-Toleranz-Politik aktiv vorangetrieben.

Bachs Kritiker sehen das anders. Selbst die Ethikkommission des IOC nimmt ihn offenbar ins Visier.

Vesper: Wie kommen Sie darauf? Er ist keineswegs im "Visier" der IOC-Ethikkommission, sie befasst sich nicht mit Thomas Bach, denn er hat sich strikt an die Regeln gehalten. Die Kritik einiger weniger deutscher Journalisten kann ich nicht nachvollziehen. Ebenso ist es absurd, wenn man ihm vorwirft, die Aufklärung der Dopingvergangenheit in Westdeutschland zu behindern. Denn er war es ja, der die jetzt diskutierte Studie überhaupt erst angeregt hat. Oder dass ein angeblich nasser Handschuh bemüht wird, den er vor 42 Jahren bei einem Gefecht getragen haben soll und der, wenn es so gewesen wäre, allenfalls eine Verwarnung des Schiedsrichters ausgelöst hätte.

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