Umbruch in der Klinik-Landschaft Therapie für die Krankenhäuser läuft an

Berlin · Strengere Vorgaben für Kliniken sollen Patienten vor riskanten Operationen schützen und die steigenden Kosten in Milliardenhöhe dämpfen.

 Zukünftig soll es in Deutschland weniger Krankenhäuser geben – aber dafür sollen die verbliebenen Kliniken sich spezialisieren. Bereits in diesem Jahr wurde das Krankenhaus in Wadern geschlossen.

Zukünftig soll es in Deutschland weniger Krankenhäuser geben – aber dafür sollen die verbliebenen Kliniken sich spezialisieren. Bereits in diesem Jahr wurde das Krankenhaus in Wadern geschlossen.

Foto: Ruppenthal

(dpa) Weniger Krankenhäuser, aber dafür bessere: Eine so veränderte Kliniklandschaft sollen Patienten zukünftig in Deutschland vorfinden. Kompliziertere Operationen und Behandlungen sollen auf größere Häuser konzentriert werden, wo Experten arbeiten und mehr Routine haben. Auf dem Land sollen rund 110 Kliniken erhalten bleiben – und verhindern, dass Ältere und Notfallpatienten zu weite Wege haben. Doch Kritiker bezweifeln, dass diese Krankenhaus-Therapie reicht.

Krankenkassen und Experten fordern seit Jahren einen Strukturwandel. „Es gibt zu viele kleine Einrichtungen, eine zu hohe Krankenhausdichte und zu wenig Spezialisierung“, bemängelt das Forschungsinstitut RWI in seinem Krankenhaus Rating Report 2017. Nun sollen neue Vorgaben die Kliniklandschaft mit ihren knapp 2000 Häusern hierzulande modernisieren. „Werden diese Standards nicht eingehalten, müssen im Zweifelsfall die Länder Abteilungen oder ganze Krankenhäuser aus dem Krankenhausplan entfernen“, kündigt der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Josef Hecken, an.

Von diesem Gremium mit Vertretern der Ärzte, Kassen und Kliniken kommen die Vorgaben. Beauftragt hat den Ausschuss die Politik. Da sind zum einen die vorgegebenen Mindestzahlen an Behandlungen. „Viele Patienten in Deutschland sterben zu früh, weil sie in Kliniken operiert werden, die zu wenig Erfahrung mit komplizierten Krebs-OPs haben“, kritisiert die AOK. Denn bisher gibt es nur für sieben Bereiche Mindestmengen – und die gelten selbst unter Chirurgen als zu lasch. So sollen bei Eingriffen an der Bauchspeicheldrüse zehn Eingriffe im Jahr ausreichen. Weitere Mindestmengen sollen folgen, sagt der ehemalige saarländische Gesundheitsminister Hecken. „Ich gehe davon aus, dass die Herzchirurgie und die Versorgung von Früh- und Reifgeborenen dabei sein werden.“ Die Krankenhausgesellschaft sieht in den Mindestmengen aber „keine alleinige Lösung“.

Hecken sieht das nicht anders – und verweist auf weitere Vorgaben seines Ausschusses bei gynäkologischen Operationen, Geburtshilfe und Brustkrebs. So darf es einer Klinik zum Beispiel nur in weniger als einem Fünftel der Fälle passieren, dass Eierstöcke entfernt wurden, obwohl entdeckte Zysten gutartig waren. „Weitere Beschlüsse werden folgen“, kündigt Hecken an.

Nach einer Übergangszeit sollen die Krankenhäuser die Vorgaben erfüllen – sonst drohen ihnen Umsatzeinbußen oder gar die Schließung. Bei den Kassen hält sich der Optimismus in Grenzen. Ihre Ausgaben für Krankenhausbehandlungen sind allein im vergangenen Jahr um 2,6 auf 73,7 Milliarden Euro gestiegen. „Mindestmengen sind ein guter Ansatz, aber nein, er reicht nicht“, sagt der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas. „Wir werden Geduld brauchen, denn es wird sicherlich Jahre dauern, bis wir wissen, ob wirklich Einrichtungen mit schlechter Qualität aus dem Krankenhausplan genommen werden“, meint die Vorsitzende des Kassen-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer.

Haupthemmnis aus Sicht der Kassen: die Macht der Länder. „Es ist problematisch, dass die einzelnen Bundesländer von den auf Bundesebene festgelegten Qualitätsindikatoren abweichen können“, kritisiert Pfeiffer. Baas mahnt: „Wenn weder die Länder noch die Krankenhäuser ein Interesse daran haben, Kapazitäten abzubauen, sind wir vom Idealzustand noch weit entfernt.“ Hecken sieht die Sache nicht so kritisch: Zwar könnten die Länder neue strenge Vorgaben für Kliniken per Gesetz außer Kraft setzen. „Aber sie übernehmen damit ein hohes politisches Haftungsrisiko, denke man an mögliche Todesfälle oder Schädigungen von Patienten.“

Doch wie sollen kleinere Krankenhäuser auf dem Land überleben, die dort für eine oft immer älter werdende Bevölkerung dringend gebraucht werden? Sie sollen mehr Geld bekommen – für Allgemein-Internistik, -chirurgie und Geburtshilfe, falls vorhanden. Hecken kündigt an: „Wir gehen davon aus, dass knapp 110 Krankenhäuser in entlegenen Gebieten Anspruch auf Sicherstellungszuschläge haben werden.“

Wie viele der derzeit knapp 2000 Krankenhäuser könnten am Ende dicht machen? „Wenn wir ein Viertel zumachen würden, würde sich die Qualität nicht verschlechtern“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats fürs Gesundheitswesen, Ferdinand Gerlach, in einem Interview. Der Hauptgeschäftsführer der Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, reagierte prompt aus diese Aussage: Dann „entstünde ein Behandlungsnotstand allererster Ordnung in Deutschland“. Und bei Politikern hatte Baums Stimme in den vergangenen Jahren oft Gewicht.