"Tennis-Generationen warteten auf einen wie ihn"

Saarbrücken. Der Tag, auf den die Saarländer so lange gewartet hatten, war ein wunderbarer Sommertag. "Die Sonne sandte vom wolkenlosen Himmel ihre Strahlen herab zum Abschied für den Franken und als freundliche Begrüßung für die D-Mark", schrieb die SZ am Montag, 6. Juli 1959. Der lange geheim gehaltene "Tag X" war endlich da, "das Saarland ist seit 0

Saarbrücken. Der Tag, auf den die Saarländer so lange gewartet hatten, war ein wunderbarer Sommertag. "Die Sonne sandte vom wolkenlosen Himmel ihre Strahlen herab zum Abschied für den Franken und als freundliche Begrüßung für die D-Mark", schrieb die SZ am Montag, 6. Juli 1959. Der lange geheim gehaltene "Tag X" war endlich da, "das Saarland ist seit 0.01 Uhr nach zwölfjähriger Unterbrechung auch wirtschaftlich wieder ein Teil Deutschlands", hieß es auf der Titelseite unter der Überschrift "Eingliederung der Saar ist vollzogen". Zweieinhalb Jahre waren seit der politischen Rückkehr vergangen, nun brachten Lastwagen 600 Millionen Mark aus der Bundesrepublik zu den über 500 Umtauschstellen im ganzen Land."Das Neue beginnt", kommentierte unsere Zeitung auf Seite 1: "Heute ist der Tag, an dem die saarländischen Wirtschaftsgrenzen wieder einmal verlegt werden, und zwar an die natürliche Stelle, wo sie bleiben werden, bis solche Grenzen in Europa überhaupt verschwinden." So wichtig der wirtschaftliche Schlussakt der Rückgliederung sei, hieß es, "so liegt er doch am Rande einer Entwicklung, die in wenigen Jahren die nationalwirtschaftlichen Grenzen der Menschen und Güter in der europäischen Gemeinschaft untergehen lassen soll". Das Saarland als "kleiner Vorläufer" des vereinten Europas - ein historisches Ereignis war dieser Tag X, der aber nicht ohne Schwierigkeiten über die Bühne ging.

Mit ungewöhnlich deutlichen Worten geißelte Ministerpräsident Franz Josef Röder bereits in der Ausgabe vom 9. Juli die Preisentwicklung an der Saar: "Ich habe gar kein Verständnis dafür, dass sich in Ausnutzung des Tages X Preisauswüchse bemerkbar gemacht haben, die ich auf das Schärfste mißbillige. Dadurch ist sehr viel Mißstimmung in der Bevölkerung entstanden." Die "Mißstimmung" war so groß, dass noch am selben Tag "im ganzen Saarland ein einstündiger Proteststreik" gegen die überhöhten Preise "durchgeführt" wurde. Das saarländische Kabinett kam innerhalb von 24 Stunden gleich zweimal zusammen, um über die angespannte Lage zu beraten. Ergebnis: "Mangelnde Einsicht oder gar Eigennutz" würden den reibungslosen Übergang in die veränderte wirtschaftliche Situation erschweren. Ein ganz anderes Ereignis, ein sporthistorisches, beschäftigte die SZ viele Jahre später, in den ersten Juli-Tagen 1985. Schon nach seinem Achtelfinalsieg in Wimbledon gegen den Amerikaner Tim Mayotte hatte es ein "unbekümmerter Junior" von gerade einmal 17 Jahren auf die Titelseite geschafft. "Boris Becker im Viertelfinale - Chancen 50:50", stand über der kleinen Meldung, daneben ein Foto des neuen Tennishelden. Nach dieser nüchternen Analyse mischte sich eine gehörige Portion Euphorie in die Berichte. "Boris Becker sprengt fast alle Tennis-Dimensionen", hieß es am selben Tag im Sportteil über den mit 17 Jahren "bereits zur Weltklasse gereiften Athleten".

Dann ging es Schlag auf Schlag. "Wimbledon: Becker jüngster Halbfinalist aller Zeiten" und "Boris Beckers Gipfelsturm hält an", lauteten die Überschriften nach dem Viersatz-Sieg gegen den Franzosen Henry Leconte. Auf den Höhepunkt steuerte das "Tennisfieber in der Bundesrepublik" vor dem Halbfinale gegen den Schweden Anders Jarryd zu, was die SZ am 5. Juli mit einem großen Foto des Rotschopfs auf der Titelseite würdigte, dazu die Zeile: "Boris greift nach einem Traum." Und der Traum wurde wahr. Am 8. Juli widmete unsere Zeitung Beckers Wimbledon-Sieg nahezu die halbe Titelseite. "Die Tenniswelt liegt einem 17jährigen Jungen aus Leimen bei Heidelberg zu Füßen", begann der Aufmachertext, der den 6:3,6:7,7:6,6:4-Erfolg gegen den Amerikaner Kevin Curren schilderte. "Das ist alles gar nicht zu fassen", sagte Becker, der gleich drei Rekorde aufstellte: "Mit Becker gewann in der 108-jährigen Wimbledon-Geschichte der jüngste, der erste ungesetzte und der erste Deutsche im Herren Einzel." "Tennis-Generationen warteten auf einen wie ihn", stand im Sportteil. Im Text hieß es dann: "Der kometenhaft aufgestiegene Boris Becker hat eines der glanzvollsten Kapitel deutscher Sportgeschichte geschrieben", vergleichbar allenfalls mit dem WM-Sieg des Boxers Max Schmeling 1930 und den WM-Erfolgen der deutschen Fußballer 1954 und 1974. Kein Wunder, dass Bundespräsident Richard von Weizsäcker eiligst ein Glückwunschtelegramm nach London schickte, aus dem die SZ zitierte: "Sie haben für die große Überraschung dieses Sommers gesorgt. Wir alle haben Ihre Spiele in den letzten Tagen mit begeistertem Herzklopfen und den Höhepunkt heute Nachmittag mit atemloser Spannung verfolgt."

Was sonst noch geschah:

7. Juli 1880: Konrad Duden veröffentlicht sein 187 Seiten starkes Wörterbuch der deutschen Sprache.

4. Juli 1954: Deutschlands Fußballern gelingt durch einen 3:2-Sieg gegen Ungarn bei der WM in der Schweiz das "Wunder von Bern".

7. Juli 2005: 56 Menschen sterben bei einem Terroranschlag auf die Londoner U-Bahn.

saarbruecker-zeitung.de/

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