Tag gegen Homophobie Schiedsrichter und schwul – noch immer ein Tabu im Fußball?

Quierschied · Dass er auf Männer steht, war Bernd Beres schon immer klar. Doch im Fußball schien es ihm unmöglich, das publik zu machen. Das tat ein anderer – gegen seinen Willen. Nun will der Geoutete anderen Mut machen.

 Bernd Beres, Vorsitzender des FV Fischbach, ist der erste und bislang einzige Fußball-Schiedsrichter im Saarland, der öffentlich als homosexuell geoutet ist. Foto: hgn

Bernd Beres, Vorsitzender des FV Fischbach, ist der erste und bislang einzige Fußball-Schiedsrichter im Saarland, der öffentlich als homosexuell geoutet ist. Foto: hgn

Foto: hgn

Mit seinen 1,85 Meter und der kräftigen Statur wirkt er Respekt einflößend: Das erleichtert seine Aufgabe als Schiedsrichter auf den Fußballfeldern im Land. Nur eher tollkühne Spieler kritisieren ernsthaft seine Entscheidungen. Dass Bernd Beres sein Handwerk versteht, davon scheint auch der Saarländische Fußballverband (SFV) überzeugt. Schließlich setzt er ihn seit 27 Jahren als Schiedsrichter ein. Der 46-Jährige steht zudem als Schiedsrichterobmann innerhalb seines Verbandes rund 45 Kollegen im Raum Sulzbach vor. Eine Bilderbuchkarriere, sagt Beres. Doch nur auf den ersten Blick. Denn vor etwas mehr als einem Jahr wurde Beres - um im Fußballer-Jargon zu sprechen - brutal gefoult: "Ein ehemals befreundeter Schiedsrichter schickte 158 Seiten privater Mitteilungen zwischen uns per Mail an 151 Schiedsrichter des Verbandes." Darin auch der Hinweis an den SFV: Beres ist schwul. In einer bis heute als harte Männerwelt postulierten Sportart für viele noch immer ein Unding.

"Ich wusste natürlich schon immer, dass ich schwul bin. Aber darüber habe ich nur mit ganz wenigen gesprochen. Ich habe mich immer versteckt." Aus Angst, nach solch einem Bekenntnis unten durch zu sein. Im Glauben, Homosexualität und Fußball seien nie und nimmer kompatibel. Wenn er die Zeit nach dem aufgezwungenen Bekenntnis schildert, wirkt er nicht mehr so breitschultrig, wie auf den ersten Blick. Schwere Monate liegen hinter ihm. "Vom Verband kam der Spruch: ‚Ach, Du hast Dich ja jetzt geoutet.‘ Dabei wurde ich geoutet. Das ist was anderes, als wenn man den Zeitpunkt selbst bestimmen kann."

Kurze Zeit später seien dann Verdächtigungen gekommen, die seine Befürchtungen über den verkrampften Umgang innerhalb des Verbandes nach Bekanntwerden seiner sexuellen Orientierung bestätigten: Beres ist für den Schiedsrichter-Nachwuchs verantwortlich, bewertet sie. "Warum guckst Du immer auf die Jungen?", sei er von einem Kollegen aus dem Verband gefragt und ihm aufgrund seiner Sexualität gleichsam pädophile Neigungen unterstellt worden. Mit zeitlichem Abstand kontert er mittlerweile selbstbewusst: "Ich kann keine 60-Jährigen beobachten und einschätzen, ob sie aufsteigen wollen." Trotzdem hat ihn sein unfreiwilliges Coming-Out sehr mitgenommen. Er begab sich in Psychotherapie.

Allmählich kehre nun wieder Alltag ein. Dabei hätten ihm sowohl seine Schiedsrichterkollegen als auch sein Heimatverein FV Fischbach geholfen. Beres: "Ich wollte den Vorsitz abgeben, weil ich schwul bin. Aber die anderen Vorstandsmitglieder stärkten mir den Rücken. ‚Das wissen wir doch eh schon‘, war die Reaktion." Und einer seiner Kollegen habe scherzhaft nachgelegt: "Du wirst aber nicht erleben, dass ich jetzt keine Witze mehr darüber mache", schildert ein jetzt wieder heiterer Beres. "Mit dem Wissen um die Hintergründe kann ich nun gut damit umgehen."

Anders als sein Umfeld, fremdele der SFV bis heute bei dem Thema. Denn als er sich wegen der im Juli gestarteten Kampagne "Fußball gegen Homophobie" an den Deutschen Fußballbund (DFB) wandte, habe der SFV-Vorstand verschnupft reagiert: "Das wollen wir doch innerhalb des Verbandes klären", sei ihm gesagt worden.

Bernd Beres will mittlerweile offensiv auftreten. "Jeder Verband sollte einen Ansprechpartner für Schwule haben." Er könne sich gut vorstellen, selbst die entsprechende Rolle beim SFV einzunehmen. Denn ein Homosexueller, der die Probleme kenne und um die Ängste wisse, eigne sich dafür besser, als ein vom Verband bestimmter Funktionär. Nach seinem Coming-Out habe Beres das bereits erfahren; Kollegen hätten sich ihm anvertraut: "Ich kenne einige Fußballer, die schwul sind. Und auch Schiedsrichter." Aktuell ist der Führungsspitze des Saarländischen Fußballverbandes (SFV) nur ein Fall bekannt, dass ein Sportler beziehungsweise Schiedsrichter als schwul geoutet ist. Das berichtet SFV-Vize Adrian Zöhler (43). Sollte es allerdings zu weiteren derartigen Bekenntnissen kommen, stehe er als Ansprechpartner bereit. Der Tholeyer, mit einer Frau verheiratet: "Ich weiß nicht, ob ich einem Homosexuellen helfen könnte. Aber ich wüsste, wer es kann und würde ihn an den DFB vermitteln." Dort habe er persönliche Kontakte zu Vertretern, die sich mit dem Thema auskennen. Zum Vorschlag des ersten als schwul geouteten SFV-Schiedsrichters, Bernd Beres, einen Ansprechpartner mit entsprechenden Erfahrungen zu benennen, sagt Zöhler: "Wenn jemand sagt, er steht bereit, würde uns das freuen. Dann hätten wir jemanden, der sich um dieses schwierige Thema kümmert." Die von zahlreichen Institutionen unterzeichnete Erklärung "Gemeinsam gegen Homophobie (Homosexuellenfeindlichkeit) im Sport" hat der Saarländische Fußballverband (SFV) trotz Aufforderung seitens der vom Bund initiierten Berliner Magnus-Hirschfeld-Stiftung nicht unterzeichnet. Anders beispielsweise die Fußballverbände aus Bremen und Württemberg. Aufgabe der Stiftung ist es, die Schwulenfeindlichkeit in der Gesellschaft zurückzudrängen. Trotz der Absage ist Jörg Litwinschuh (45) zuversichtlich, den SFV doch noch für das Antidiskriminierungsprogramm gewinnen zu können. Der geschäftsführende Stiftungsvorstand: "Ich werde dem SFV ein Gesprächsangebot unterbreiten, nach Saarbrücken kommen und persönlich dafür werben, die Erklärung für die Akzeptanz von Schwulen und Lesben zu unterschreiben." Der gebürtige Weiskircher richtet seinen Blick auf den als homosexuell geouteten Saar-Schiedsrichter Bernd Beres, der im Verband als Ansprechpartner in dieser Angelegenheit sensibilisieren will

Mit sexuellen Bekenntnissen verbandsintern umzugehen, hält Marcus Urban (42), Mitinitiator der Erklärung, für den falschen Weg. Der erste als schwul geoutete deutsche Ex-Fußballprofi aus Weimar sagt: "Ich frage mich, warum das intern geregelt werden soll. Aufklärung hat mit Öffentlichkeit zu tun." Es müsse sichtbar sein, dass es Homo-, Bi- und Transsexualität in allen gesellschaftlichen Bereichen gebe. Urban, der Verbände und Sportler berät: "Im Sport sind es Tausende, die Versteck spielen." Es gebe eine Tendenz, das Thema "nicht an die große Glocke zu hängen, damit es unauffällig bleibt". Darum habe Urban Kontakt mit dem SFV aufgenommen. Ebenso mit dem Verband im Rheinland. Dort hat ein Trainer seine Tarnung aufgegeben, will wie Bernd Beres Ansprechpartner sein. Urban: "Das Versteckspiel muss aufhören."