Szenen wie in Abu Ghraib

Essen/Burbach · Bilder gedemütigter Flüchtlinge schockieren Deutschland. Und es werden immer mehr Übergriffe privater Wachleute in Notunterkünften bekannt. Die Bundesregierung erwartet Aufklärung.

"Sie behandeln uns wie Tiere", sagt Dendawi Reda aus Algerien. Zusammen mit rund 500 weiteren Flüchtlingen lebt er seit einiger Zeit in einer Notunterkunft in Essen, die das Land in einem ehemaligen Krankenhaus eingerichtet hat. Am Tag nach dem Bekanntwerden der Gewaltvorwürfe hier und im siegerländischen Burbach machen die Bewohner auf dem Hof ihrer Unzufriedenheit Luft. Es sei dreckig, das Essen mies. Immer wieder berichten sie auch von Aggression und Übergriffen der privaten Sicherheitskräfte. Zwei Anzeigen hat es bei der Essener Polizei in diesem Zusammenhang gegeben.

Auch Yousra Fakitt ist zur Polizei gegangen. Sie berichtet davon, wie ein Sicherheitsmann ihr eine Tür in die Schulter gerammt habe, nachdem es zu einem Streit über eintönige Mahlzeiten gekommen sei. "Sie schreien dich an, behandeln dich überhaupt nicht mit Respekt", klagt die Libanesin. Andere berichten von Beschimpfungen und Schlägen, weil sie zu später Stunde nicht zurück in die Unterkunft wollten.

Der Heimbetreiber European Homecare erzählt eine Version, die ein anderes Licht auf Täter und Opfer wirft: Ein Wachmann habe einen Bewohner beim Kiffen erwischt. Es kam zum Eklat, bei dem sich der Wachmann gegen einen Angriff verteidigt habe. In der Folge habe eine ganze Gruppe Bewohner dem Wachmann gedroht. Die Ermittlungen der Polizei dauern an.

Ausgelöst hatte den Skandal ein Handy-Video, das einen Übergriff auf einen Flüchtling in der Einrichtung in Burbach zeigt. Darin ist ein Mann zu sehen, der neben Erbrochenem auf einer Matratze sitzt und unter Androhung von Schlägen gezwungen wird, sich hinzulegen. Außerdem hatte die Polizei ein Handy-Foto gefunden, auf dem zu sehen ist, wie ein Sicherheitsmann einem gefesselt am Boden liegenden Flüchtling den Stiefel in den Nacken setzt, ein zweiter Wachmann schaut zu. Die Szenen erinnern an den Folterskandal im US-Militärgefängnis Abu Ghraib im Irak.

Die Bundesregierung drängt auf rasche Aufklärung. "Es ist vollkommen klar, diese Vorfälle müssen rasch, und sie müssen dringend aufgeklärt werden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert . European Homecare hat sich nach Angaben der Bezirksregierung Arnsberg inzwischen verpflichtet, keine weiteren Subunternehmer zu beschäftigen und Mitarbeiter auf Vorstrafen zu überprüfen. Zehn zusätzliche Mitarbeiter der Bezirksregierung sollen künftig in allen Landeseinrichtungen nach dem Rechten sehen.

Auch European Homecare selbst betreibt Schadensbegrenzung. "Wir sind selbst total fassungslos", sagt Sprecherin Renate Walkenhorst. Man habe bei den Sicherheitskräften stets den Anspruch gehabt, dass sie den Bewohnern mit Respekt begegneten. "Was jetzt passiert ist, ist eine Katastrophe", so Walkenhorst. Dass es sich um mehr als Einzelfälle handeln könnte, weist sie von sich. "Anscheinend hat sich da eine Gruppe von Wachkräften irgendwie verselbstständigt", sagt sie.

Auch in Burbach im Siegerland hätten sich nach Bekanntwerden der Vorfälle weitere Flüchtlinge gemeldet, die der Polizei von Übergriffen berichteten, sagt Ricardo Sichert, Leiter der Einrichtung. Die Polizei in Hagen ermittelt seit Freitag wegen fünf angezeigten Gewalttätigkeiten in dem Heim. In drei Fällen soll auch das Sicherheitspersonal beteiligt gewesen sein.

Sicher fühlen sich die Flüchtlinge in Burbach aber weiterhin. "Wir sind froh, in Deutschland zu sein", sagen viele. Dass seit Samstag neues Sicherheitspersonal eingesetzt wird, macht sie aber froh: "Vorher blöd, jetzt gut", sagt einer in gebrochenem Deutsch.

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