Syriens Nachbarn schlagen Alarm

Berlin · Die Nachbarländer Syriens sind mit den Millionen Flüchtlingen aus dem Bürgerkriegsland überfordert. Die internationale Gemeinschaft zeigt sich in Berlin solidarisch. Doch wie weit geht die Unterstützung?

Der jordanische Außenminister Nasser Judeh bringt die Flüchtlingssituation in seinem Land mit einem Wort auf den Punkt: Erschöpfung. 650 000 Menschen aus Syrien hat Jordanien seit Beginn des Bürgerkriegs 2011 aufgenommen. Die Bevölkerung im arabischen Staat ist damit um zehn Prozent gewachsen. Die Zahl der Patienten in Krankenhäusern ist um 250 Prozent gestiegen, die Schulen sind überfüllt und die Nachfrage nach Wasser hat sich um 16 Prozent erhöht. In einem Land, das zu den vier wasserärmsten der Welt zählt, ist das existenzbedrohend. Zudem wächst der Wettbewerb um Jobs und damit soziale Spannungen.

"Wie lange wird Jordanien das noch durchhalten können?", fragt Judeh gestern im Weltsaal des Auswärtigen Amts in Berlin . Dort haben sich Außenminister und andere hochrangige Diplo-maten aus drei Dutzend Ländern versammelt. Sie beraten darüber, wie man das Problem gemeinsam angehen kann.

Jeder zweite Syrer ist auf der Flucht. Bis zu fünf Millionen haben in den Nachbarländern Unterschlupf gefunden, wo sie auf eine Rückkehr in ihre Heimat hoffen. Noch stärker als Jordanien ist der Libanon betroffen, dessen Einwohnerzahl um über 1,1 Million und damit fast um ein Drittel angewachsen ist.

Die Türkei hat alleine während der Belagerung der syrischen Stadt Kobane 200 000 Menschen aufgenommen - und damit ebenso viele wie die gesamte Europäische Union seit Beginn des Bürgerkriegs. Der Irak hat seit dem Vormarsch der Terrormiliz Islamischer Staat sogar ein doppeltes Flüchtlingsproblem: Zu den syrischen Flüchtlingen kommen die Menschen, die im eigenen Land vertriebenen wurden. Die internationale Gemeinschaft hat sich bisher auf humanitäre Nothilfe für die Flüchtlinge konzentriert. Jetzt soll das Engagement auf die Stabilisierung der Nachbarstaaten erweitert werden. Konkret könnte das Investitionen in Infrastruktur, Schulen und Krankenhäuser bedeuten.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier spricht bei der Berliner Konferenz von einer langfristigen Aufgabe. Und er schreitet mit einer finanziellen Zusage von einer halben Milliarde Euro für die nächsten drei Jahre voran. Zudem gibt es für das laufende Jahr 140 Millionen Euro zusätzlich für Jordanien, den Libanon , die Türkei und den Irak . Steinmeier sagt aber auch: "Das ist nicht nur eine Frage des Geldes. Wir müssen unsere Unterstützung auch effizienter und nachhaltiger gestalten."

Ansonsten bleiben die Hilfszusagen eher unkonkret. In erster Linie sollte die Konferenz klar machen, dass sich die Gemeinschaft für das Flüchtlingsproblem verantwortlich fühlt. Dieses Zeichen der Solidarität reicht vielen Nicht-Regierungs-Organisationen nicht aus. Pro-Asyl etwa hält die Beteuerungen der Europäer für unglaubwürdig. "Wer will, dass die Grenzen offen bleiben, muss selbst mehr Flüchtlinge aufnehmen", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt dem rbb-Hörfunk. Die Entwicklungsorganisation Oxfam forderte, wohlhabende Länder müssten mindestens fünf Prozent der registrierten syrischen Flüchtlinge aufnehmen - das wären derzeit 180 000.

Deutschland ist mit der Aufnahme von 70 000 Flüchtlingen unter den Europäern noch weit vorne dabei. Der UN-Flüchtlingskommissar António Guterres lobte die Anstrengungen Berlins als "ein leuchtendes Beispiel für viele andere Länder." Gunterres: "Ich kann nur hoffen dass alle Länder der Welt sich diesem Beispiel anschließen."

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