Syrien brennt - und niemand löscht Parteigenosse kehrt Assad den Rücken

Damaskus/Kairo. Bei seiner Abreise aus Damaskus zeigte sich UN-Sondervermittler Kofi Annan vorsichtig optimistisch. Doch die Vorschläge, mit denen er aktuell in der Region hausieren geht, haben nach Einschätzung der syrischen Opposition nichts mit der Realität in Syrien zu tun. Offiziell ist zwar bislang noch nichts veröffentlicht worden

Damaskus/Kairo. Bei seiner Abreise aus Damaskus zeigte sich UN-Sondervermittler Kofi Annan vorsichtig optimistisch. Doch die Vorschläge, mit denen er aktuell in der Region hausieren geht, haben nach Einschätzung der syrischen Opposition nichts mit der Realität in Syrien zu tun. Offiziell ist zwar bislang noch nichts veröffentlicht worden. Doch im Kern soll es darum gehen, in den einzelnen Unruheprovinzen Schritt für Schritt eine Waffenruhe zu erreichen.Dann sollen nach Angaben arabischer Diplomaten, die Machthaber Baschar al-Assad wohlgesonnen sind, die Waffen der Deserteure und Rebellen eingesammelt werden. Den Angehörigen der "bewaffneten Opposition" soll im Gegenzug Straffreiheit zugesichert werden. Außerdem soll ein politischer Dialog zwischen dem Regime und der Opposition in Gang gesetzt werden. Das Regime soll dabei von Staatsminister Ali Haidar, einem ehemaligen Studienkollegen von Präsident Assad, vertreten werden. Damit wäre aber Vizepräsident Faruk al-Scharaa aus dem Rennen, ein Sunnit, der zumindest von Teilen der Opposition akzeptiert werden könnte.

"Tausende von politischen Gefangenen sitzen immer noch in den Gefängnissen. In den Städten stehen Panzer. Wie soll man da verhandeln?", fragt Amer al-Sadek, der zu den Aktivisten der ersten Stunde gehört. Ein Dialog "unter dem Dach des Regimes" sei aus der Sicht der Protestbewegung keine Option.

Auch der mit dem Islamisten sympathisierende Menschenrechtsanwalt Haitham al-Maleh hält den Vorstoß von Annan für aussichtslos. Aus seiner Sicht ist dies ebenso wenig die Nachricht des Tages wie der neue Vorstoß der westlichen Staaten im Sicherheitsrat für nicht-militärische Sanktionen gegen das Regime. Der inzwischen vierte Resolutionsentwurf, der die Handschrift Großbritanniens, Frankreichs, der USA, Portugals und Deutschlands trägt, droht erstmals solche Sanktionen nach Artikel 41 der UN-Charta an. Gefordert wird ein Ende der Gewalt und der Rückzug von Truppen und schweren Waffen aus Wohngebieten innerhalb von zehn Tagen.

Den oppositionellen Al-Maleh, der seit seiner Flucht aus Syrien im vergangenen Jahr keine Oppositionskonferenz ausgelassen hat, elektrisiert vielmehr die Rede des syrischen Botschafters in Bagdad, Nawaf Faris, der sich nach 16 Monaten Aufstand von einem Regime losgesagt hat, dem er über Jahrzehnte treu gedient hatte, und der seinen neuen Platz nun in den Reihen der Opposition sieht. Al-Maleh hofft, dass der innere Zirkel der syrischen Führung unter dem Druck der Proteste und des bewaffneten Widerstandes so lange erodieren wird, bis das Regime schließlich ganz zerbröckelt.

Der Syrische Nationalrat (SNC), dem sich die meisten der etablierten Oppositionsgruppen angeschlossen haben, wird unterdessen nicht müde zu betonen, dass "der politische Prozess erst nach dem Rücktritt von Assad beginnen kann". Daher stellt sich die Frage, wen Annan für einen Dialog mit dem Regime überhaupt präsentieren könnte. Denn sogar das Nationale Koordinierungskomitee für den demokratischen Wandel, das sich bisher als einzige bedeutende Gruppierung der Opposition von den bewaffneten Widerstandsgruppen distanziert hatte, wird vom Sicherheitsapparat inzwischen mit Reiseverboten und Festnahmen in die Zange genommen.

Laut dem angeblichen Protokoll des Treffens zwischen Assad und Annan soll der syrische Präsident in seinem Gespräch mit dem Sondergesandten auf diese Schwierigkeit sogar selbst hingewiesen haben: "Ich denke, das größere Problem werden Sie auf der anderen Seite haben, nicht mit uns", sagte er nach Informationen der libanesischen Zeitung "Al-Akhbar" zu Annan. "Werden Sie in der Lage sein, einen Namen zu präsentieren von jemandem, der die Opposition vertritt?"Foto: afp

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Hintergrund

Sind Weltfrieden und internationale Sicherheit bedroht, greift Kapitel VII der 1945 unterzeichneten Charta der Vereinten Nationen. Es regelt, wie die UN vorgehen könnten, um zum Beispiel Syriens Präsidenten Baschar al-Assad zur Einhaltung des Friedensplans zu zwingen und die syrische Bevölkerung zu schützen.

Zunächst muss der Sicherheitsrat feststellen, "ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt" (Artikel 39). Artikel 41 regelt, welche Maßnahmen jenseits militärischer Gewalt ergriffen werden können - wie wirtschaftliche Sanktionen oder der Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Reichen die in Artikel 41 vorgesehenen Maßnahmen nicht aus, kann der Sicherheitsrat laut Artikel 42 zu militärischen Mitteln greifen. dpa

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