Symbolfigur für Respekt und Toleranz

Solingen · Der Anschlag von Solingen erschütterte Deutschland und die Welt. Fünf Menschen kamen ums Leben. Auch 20 Jahre später sind Ausländerfeindlichkeit und rechte Gewalt weit verbreitet.

Das Inferno beginnt kurz nach 1.30 Uhr in der Nacht: Aus dem Haus einer türkischen Großfamilie in Solingen lodern in der Nacht zum Pfingstsamstag 1993 helle Flammen. Fünf Menschen kommen in der Feuersbrunst ums Leben, die rechtsradikale Brandstifter entfacht haben. Morgen jährt sich das Verbrechen zum 20. Mal.

Die Überlebenden und Angehörigen der Opfer leiden bis heute unter den körperlichen und seelischen Folgen des heimtückischen Anschlags. Auch die damaligen Helfer und Nachbarn werden die Kinderschreie aus dem brennenden Haus nicht vergessen. Eine 27-jährige Frau sprang vor den Augen der Feuerwehr in den Tod, eine 18-Jährige und drei Mädchen im Alter von vier bis zwölf Jahren erstickten und verbrannten in den Flammen. Acht Menschen wurden schwer verletzt.

Das Bild vom Haus mit dem ausgebrannten Dachstuhl löste weltweit Abscheu und Entsetzen aus. Der Anschlag war trauriger Höhepunkt einer Welle rechtsextremistischer Gewalttaten gegen Ausländer Anfang der 90er Jahre unter anderem in Hoyerswerda, Rostock und Mölln. Eine aggressive Asyldebatte hatte ein fremdenfeindliches Klima geschürt. Drei Tage vor dem Solinger Anschlag schränkte der Bundestag das Asylrecht drastisch ein.

Die vier Täter aus der Neonazi-Szene wurden 1995 vom Düsseldorfer Oberlandesgericht wegen fünffachen Mordes, 14-fachen versuchten Mordes und besonders schwerer Brandstiftung verurteilt. Der zur Tatzeit 23-jährige Markus G. erhielt 15 Jahre Haft, gegen die drei Mittäter im Alter von 16 bis 20 Jahren wurden zehn Jahre verhängt - das Höchstmaß nach dem Jugendstrafrecht. Alle vier sind seit Jahren wieder auf freiem Fuß, teils vorzeitig wegen guter Führung. Ein damals 16-Jähriger musste seine zehnjährige Strafe voll absitzen und kam Jahre später erneut für vier Monate ins Gefängnis, weil er als Mitglied einer rechtsradikalen Kameradschaft öffentlich den Hitlergruß gezeigt hatte.

Als Reaktion auf die fremdenfeindliche Gewaltwelle der frühen 90er Jahre entstanden bundesweit Programme gegen Gewalt, Rassismus und Rechtsex tremismus. In Solingen wurde ein "Bündnis für Toleranz und Zivilcourage" gegründet. Doch nicht erst seit Aufdeckung der terroristischen NSU-Morde ist klar, dass rechtsextremes Denken und neonazistische Gewalt in Deutschland keineswegs der Vergangenheit angehören.

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HintergrundDer Brandanschlag von Solingen, dem am 29. Mai 1993 fünf Menschen zum Opfer fielen, gilt bis heute als folgenschwerstes fremdenfeindliches Verbrechen in der Bundesrepublik. Hier weitere unheilvolle Anschläge:Hoyerswerda, September 1991: Randalierer attackieren in der sächsischen Stadt eine von Ausländern bewohnte Asylunterkunft. Sie werfen Molotow-Cocktails und Stahlkugeln. Zahlreiche Anwohner beobachten das Geschehen ungerührt und applaudieren den Tätern sogar. 32 Menschen werden verletzt.Rostock, August 1992: Eine Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für Vietnamesen in Rostock-Lichtenhagen werden von hunderten teils rechtsex tremen Randalierern angegriffen. Sie zünden das Wohnheim an - angefeuert von Schaulustigen. Die Bewohner überleben.Mölln, November 1992: Bei einem Brandanschlag auf ein von Türken bewohntes Haus kommen drei Frauen ums Leben. Guben, Februar 1999: Eine Hetzjagd rechtsex tremer Jugendlicher auf Afrikaner endet mit dem Tod eines Algeriers (28).Köln, Juni 2004: Bei einem Nagelbomben-Anschlag in der überwiegend von Türken bewohnten Keupstraße werden 22 Menschen verletzt. Der Anschlag wird inzwischen der Neonazi-Gruppe NSU zugeschrieben. epd

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