Stuttgarter CDU gibt Naturschützern nach

Stuttgart. Es war wohl auch die Macht der erschreckenden Bilder von der Konfrontation zwischen Polizisten und Demonstranten, die Stefan Mappus erweicht hat. Gestern kündigte der baden-württembergische Ministerpräsident im Streit um das Bahnprojekt "Stuttgart 21" eine Revision seines bis dahin kompromisslosen Kurses an

Stuttgart. Es war wohl auch die Macht der erschreckenden Bilder von der Konfrontation zwischen Polizisten und Demonstranten, die Stefan Mappus erweicht hat. Gestern kündigte der baden-württembergische Ministerpräsident im Streit um das Bahnprojekt "Stuttgart 21" eine Revision seines bis dahin kompromisslosen Kurses an. "Diese Bilder dürfen sich nicht wiederholen", sagte der CDU-Politiker. Um neue Gewalt zu verhindern, gab Mappus bekannt, dass die Abriss-Arbeiten am Stuttgarter Bahnhof auf längere Zeit unterbrochen und vorerst auch keine weiteren Bäume gefällt werden sollen. Natürlich hat diese Kurskorrektur auch mit den Landtagswahlen zu tun - Mappus will am 27. März im Amt bestätigt werden. Bilder, auf denen die Polizei mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray gegen Demonstranten, darunter ältere Menschen und Schüler, vorgeht, fügen der Wahlkampagne des Ministerpräsidenten in der Tat schweren Schaden zu. Mappus sicherte deshalb nun eine "Aufklärung der Vorkommnisse" zu. Bislang will er aber keine Hinweise auf mögliches Fehlverhalten der Polizei bei dem gewaltsamen Einsatz am Donnerstag gefunden haben, bei dem nach Behördenangaben 130 Menschen verletzt worden waren, nach Angaben der Demonstranten sogar weitaus mehr. Der Inspekteur der Polizei, Dieter Schneider, machte gestern in erster Linie die Demonstranten für die Eskalation der Gewalt verantwortlich. Deren "massiver Widerstand" habe dazu geführt, dass "Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt werden mussten". Der Einsatzleiter, Siegfried Stump, sprach allerdings auch von "taktischen Fehlern", ohne die der Einsatz der Wasserwerfer wohl hätte verhindert werden können, und nahm sogleich dafür alle Verantwortung auf sich. Mappus wies seinerseits Mutmaßungen, seine Regierung habe Einfluss auf den Einsatz genommen, strikt zurück: "Alles Operative ist Sache der Polizei vor Ort." Für viele Stuttgarter Bürger ist Mappus der eigentliche Verantwortliche für die Eskalation: Als "Rambo" und Vertreter der "dunklen Seite der Macht" wurde er auf den Demos seit den Konfrontationen vom Donnerstag bezeichnet. Um die Situation zu entschärfen, kündigte Mappus nun einen Teilstopp der Abriss-Arbeiten an. Der verbliebene Südflügel des Bahnhofs bleibt vorerst stehen, weitere Bäume im Park sollen vor Herbst 2011 nicht gefällt werden. Heute will Mappus in einer Regierungserklärung weitere deeskalierende Schritte verkünden, die den Weg für einen Dialog mit den Gegnern von "Stuttgart 21" ebnen sollen. Der Bürgerentscheid, den viele Projektgegner und auch die SPD wollen, wird freilich nicht dieser Deeskalationsstrategie gehören. Er sei verfassungswidrig, stellte Mappus mit Blick auf zwei Rechtsgutachten fest, die er gestern ebenfalls vorstellen ließ. Kommt der Bürgerentscheid nicht, können die Gegner von "Stuttgart 21" immer noch auf den Juchten-Käfer hoffen. Der steht nämlich unter strengem Artenschutz. Möglicherweise könnte dies einen Baustopp auf dem Bahnhofsgelände bewirken - hoffen die Projektgegner.

HintergrundOb der Juchtenkäfer den Bau von Stuttgart 21 beeinflussen wird, ist noch unklar. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass eine bedrohte Tierart ein Großprojekt verzögert oder gar stoppt.So war die Fledermausart Kleine Hufeisennase Grund für einen zeitweisen Baustopp der Dresdener Waldschlößchenbrücke. Die große Mopsfledermaus verzögerte ihrerseits den Bau einer längeren Start- und Landebahn am Flughafen Hahn. Am Flughafen in Frankfurt/Main ließ der Betreiber Fraport eine Hirschkäfer-Brut umsiedeln. Erst dann durfte der Wald für den Bau einer 150 Millionen Euro teuren Halle gerodet werden. dpa

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