Stunde Null in Washington

Washington · Nach der Krise ist vor der Krise. Zwar rauchen die Republikaner und Demokraten in Washington erstmal die Friedenspfeife. Doch in Wirklichkeit steht bestenfalls ein kurzer Waffenstillstand bevor. In ein paar Monaten geht der Streit um die US-Finanzen weiter.

Der Senats-Geistliche Barry Black flehte bei Eröffnung des Plenums gestern den Segen von oben herbei. "Herr, lass uns Licht am Ende eines langen dunklen Tunnels sehen." Ein Stoßgebet zum "Highnoon" auf dem Capitol Hill. Der Himmel schien es zu erhören, als kurz darauf Senatsführer Hary Reid und der republikanische Minderheitsführer Mitch McConnell einen Kompromiss verkündeten, der den unmittelbar drohenden Staatsbankrott vermeiden sollte. Die Einigung sieht vor, die Schuldendecke bis zum 7. Februar anzuheben und die Regierung bis zum 15. Januar zu finanzieren. Damit käme die Verwaltungsblockade in Washington nach sechzehn Tagen zu Ende. Und zwar bedingungslos, wie Präsident Barack Obama verlangt hatte. In der Zwischenzeit sollen dann reguläre Verhandlungen über die Budget-Entwürfe von Senat und Repräsentantenhaus geführt und ein langfristiges Fiskalpaket vereinbart werden.

Der Plan der Senatsführer beruht auf Ideen, die bei einer Gruppe von Demokraten und Republikanern um die Senatorin Susan Collins ihren Ausgang genommen hatten, nachdem sich das Repräsentantenhaus als handlungsunfähig erwiesen hatte.

Der Sprecher der Republikaner, John Boehner, erkannte die Niederlage als erster an. Er versprach, die Abstimmung im Plenum des Repräsentantenhauses freizugeben. Die Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Es galt jedoch als sicher, dass der Kompromiss rechtzeitig vor Ablauf der Frist um Mitternacht bei Präsident Obama zur Unterschrift vorliegt. Der Tea-Party-Flügel im Repräsentantenhaus schien zunächst nicht bereit, den Kampf aufzugeben. Denn: Während Boehner auf die Totalkapitulation im Showdown um Schuldendecke und Verwaltungsblockade zusteuerte, schmiedeten die Rechtspopulisten noch Pläne, wie sich das riskante Spektakel hinauszögern ließe. "Das ist ein willkürlich gewähltes Datum", spielte Steve King aus Iowa die Konsequenzen eines Verstreichens der Frist hinunter. Ted Yoho aus Florida meinte gar, ein Bankrott "bringt Stabilität auf die Weltmärkte".

Die Finanzwelt signalisierte etwas anderes. Die Ratingagentur Fitch warnte, die Dysfunktionalität in Washington könnte in einer Abstufung der Kreditwürdigkeit der USA führen. Die Leit-Indizies an den Börsen schlugen bei jedem neuen Funken Hoffnung auf eine rechtzeitige Einigung vor Erreichen der um Mitternacht ablaufenden Frist nach oben aus.

Senator Ted Cruz, der mit einem Redemarathon im Oberhaus vor fast drei Wochen den Startschuss zu dem Showdown gegeben hatte, backte gestern kleine Brötchen, nachdem er sich vorher noch konspirativ mit einer Gruppe von Tea-Party-Hardlinern aus dem Repräsentantenhaus in einem beliebten Mexikaner-Restaurant auf dem Capitol Hill getroffen hatte. Peinlicherweise erwischte der parlamentarische Geschäftsführer und Boehner-Vertraute Kevin McCarthy die Verschwörer im Keller des "Tortilla Coast".

Alte Hasen wie Senator John McCain hatten ihrer Partei schon vor Wochen davon abgeraten, mit der Aussicht auf einen Staatsbankrott Änderungen an der Gesundheitsreform des Präsidenten erzwingen zu wollen. McCain sah sich gestern bestätigt. "Die Situation ist sehr, sehr ernst", mahnte der Konservative Realismus an. "Die Republikaner müssen verstehen, dass wir diese Schlacht verloren haben."

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