Gefahr für Umwelt und Landwirtschaft Studie belegt dramatisches Insektensterben

Krefeld/Saarbrücken · Die Menge der Fluginsekten ist in den letzten Jahren massiv gesunken. Der für Ökologen bedrohliche Trend wird auch im Saarland bestätigt.

 Eine Biene sammelt auf einer Kamillenblüte Pollen, den sie an ihren Hinterbeinen befestigt, um ihn zum Bienenstock bringen zu können.

Eine Biene sammelt auf einer Kamillenblüte Pollen, den sie an ihren Hinterbeinen befestigt, um ihn zum Bienenstock bringen zu können.

Foto: dpa/Patrick Pleul

(dpa/ste)  Forscher schlagen Alarm für Natur und Landwirtschaft: Die Zahl der Fluginsekten ist in Deutschland erheblich zurückgegangen. In den vergangenen 27 Jahren nahm die Gesamtmasse in untersuchten Gebieten um mehr als 75 Prozent ab, berichteten gestern Wissenschaftler aus Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden im Fachmagazin „PLOS ONE“. Die Analyse bestätigt erste, im Sommer vorgestellte Ergebnisse der mehrjährigen Studie mit aufgestellten Fallen. Die Arbeit liefere den Beleg, dass der Schwund nicht nur einzelne Standorte betrifft, sondern „wirklich ein größerflächiges Problem“ ist, sagte Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle.

Fachleute vermuten schon lange, dass die Zahl der Insekten in den vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen ist. Die Tendenz bestätigte gestern auch das Ministerium von Saar-Umweltminister Reinhold Jost (SPD) der SZ.  Alle in der Insektenerfassung tätigen Personen hätten den Rückgang der Gesamtmasse  „in ihrem Wirkbereich“ festgestellt, erklärte Sprecherin Sabine Schorr.  Das falle sogar Laien auf, wenn sie  bei längeren Autofahrten hinterher selbst im Hochsommer kaum noch die Frontscheibe reinigen müssten.  Statistisch sei dies fürs Saarland allerdings nicht exakt belegbar.  Erstellt werde derzeit eine neue Liste der bedrohten Arten.  Der Hauptgeschäftsführer des Bauernverbandes Saar, Hans Lauer, erklärte allerdings, einen Rückgang von Schädlingen habe man nicht festgestellt.

Der Insekten-Schwund kann nach Ansicht von Thomas Schmitt, Direktor am Senckenberg Deutsches Entomologischen Institut in Müncheberg, ganze Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen. Zudem fehlten wichtige Bestäuber im Obst- und Gemüseanbau, sagte er gestern. „Insekten sind ganz unten in der Nahrungspyramide. Wenn sie sterben, sind alle Arten betroffen, die sie als Nahrungsgrundlage benötigen.“  Die Umweltschutzorganisation Nabu forderte ein bundesweites Insekten-Monitoring. Der dramatische Rückgang  sei besorgniserregend, erklärte Nabu-Präsident Olaf Tschimpke.

 Umeltminister Reinhold Jost.

Umeltminister Reinhold Jost.

Foto: Döpke

Die Daten für die Studie waren  seit 1989 von ehrenamtlichen Insektenkundlern erhoben worden. Diese hatten in insgesamt 63 Gebieten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und in Brandenburg zeltartig Netze aufgestellt, in denen Fluginsekten in einen Sammelbehälter geleitet und getötet werden. Die  Auswertung zeigte nach Aussage der Forscher, dass im Verlauf der vergangenen 27 Jahre die jährliche Gesamtmasse im Mittel um gut 76 Prozent abgenommen hat. Über das Warum macht die Studie keine klare Aussage: Vermutlich spiele die intensivierte Landwirtschaft samt dem Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln sowie die  ganzjährige Bewirtschaftung eine Rolle, erklären die Forscher.

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