„Stress hat eine körperliche Komponente“

Es gibt heute eine höhere gesellschaftliche Sensibilität für Stress, sagt der Psychologe Cornelius König. Mit dem Professor an der Saar-Universität sprach SZ-Redakteurin Iris Neu.

Herr König, woran liegt es, dass zahlreiche Menschen das Leben als immer stressiger empfinden?

König: Es liegt wohl an all den schnelllebigen Prozessen, an den vielen Wandlungsprozessen in Wirtschaft und Arbeitswelt. Dabei sind die Anforderungen an die Menschen stark gestiegen, viele haben das Gefühl, sich permanent umstellen zu müssen, ohne zu wissen, ob sich das am Ende wirklich lohnt.

Sind die Menschen nicht auch empfindlicher geworden?

König: Ich glaube in der Tat, es gibt eine erhöhte Sensibilität für Stress. Allerdings nicht in dem Sinne, dass die Menschen mimosenhafter sind. Sondern in dem Sinne, dass solche Gefühle heute offener angesprochen werden. In dieser Beziehung ist die Gesellschaft reifer geworden - eine positive Entwicklung.

Ist Stress "nur" ein subjektives Gefühl oder eine messbare Größe?

König: Es ist immer die Frage, was "messbar" bedeutet. Auch Schmerzen sind nicht messbar, sondern ein subjektives Phänomen. Freilich hat Stress auch eine körperliche Komponente: Er kann etwa zu einem messbaren Hormon- oder Blutdruckanstieg führen. Zugleich ist Stress subjektiv. Das sieht man daran, dass Veränderungen in der Arbeitswelt unterschiedlich wahrgenommen werden: Was für den einen Ansporn ist, kann für den anderen belastend oder gar erdrückend sein.

Warum aber tritt Stress vor allem bei 35- bis 45-Jährigen auf?

König: Dafür spielen sicherlich viele Faktoren eine Rolle. Etwa dass bei dieser Altersgruppe noch das Mehr-erreichen-wollen im Vordergrund steht. Erst später gibt es dann bei vielen so etwas wie ein gesundes Arrangieren mit den Lebensumständen und mit dem, was man bereits erreicht hat.

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