Streit um Milliarden bringt Ärzte und Kassen gegeneinander auf

Saarbrücken/Berlin. Es ist ein Tauziehen um Milliarden: Krankenkassen und Ärztevertreter kommen heute zusammen, um über die Ärztehonorare fürs kommende Jahr zu verhandeln. Die Positionen beider Seiten könnten kaum weiter auseinanderliegen

Saarbrücken/Berlin. Es ist ein Tauziehen um Milliarden: Krankenkassen und Ärztevertreter kommen heute zusammen, um über die Ärztehonorare fürs kommende Jahr zu verhandeln. Die Positionen beider Seiten könnten kaum weiter auseinanderliegen. Während der GKV-Spitzenverband die Gesamtvergütung um 2,2 Milliarden Euro senken will, verlangt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Zuweisungen um 3,5 Milliarden Euro anzuheben. Bis Ende des Monats, also Freitagabend, muss laut Gesetz eine Einigung gefunden werden. Die niedergelassenen Ärzte drohen mit Streik und Praxisschließungen, sollte das Ergebnis am Ende nicht in ihrem Sinne sein.Bei den Verhandlungen geht es im Wesentlichen um zwei Punkte: die Höhe der sogenannten Morbiditätsrate und die Höhe des sogenannten Orientierungswertes. Der Morbiditätsrate gibt den Krankheitsgrad der Bevölkerung an und entscheidet über die Menge an Leistungen, die die Kassenärzte abrechnen dürfen. Der Orientierungswert entscheidet über den Preis.

Vor allem über den Orientierungswert gibt es Streit. Er liegt derzeit bei 3,50 Cent. Die Kassen wollen ihn auf 3,25 Cent absenken (minus sieben Prozent). Das wäre ein durchschnittliches Minus von 19 000 Euro pro Praxis. Sie untermauern ihre Forderung mit einer von der Wirtschaftsberatung Prognos erstellten Studie, in der argumentiert wird, die Investitions- und Betriebskosten für niedergelassene Ärzte seien zurückgegangen. Die KBV fordert dagegen eine Anhebung des Orientierungswerts auf 3,85 Cent (plus elf Prozent). Hauptargument ist ein Inflationsausgleich, der bei der letzten Berechnung des Wertes nicht berücksichtigt worden sei. Zudem sind die Betriebskosten nach Berechnung der Ärzteverbände mitnichten gesunken sondern in den vergangenen Jahren stetig gestiegen.

Die Forderung nach einer zweistelligen Honorarerhöhung für Ärzte kommt auch bei den Krankenkassen im Saarland nicht gut an. Roland Spengler, Sprecher der IKK Südwest im Saarland, kann die Forderung jedenfalls nicht nachvollziehen und hält sie für "überzogen". Spengler gibt zu bedenken, "dass die Ärzteschaft in der Vergangenheit von "überdurchschnittlichen Honorarsteigerungen" profitiert habe. Darum müsse man sich in einem "vernünftigen Rahmen" einigen. Bisher sei dies auch immer im Konsens mit der Kassenärztlichen Vereinigung im Saarland gelungen. Geschenke habe man aber nicht zu verteilen, sagt Spengler. Das sieht auch die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland so. Alles in allem wolle man den Konflikt aber "nicht hochhängen" und hoffe auf eine Einigung beim morgigen Spitzengespräch, sagt deren Sprecher Karlheinz Delarber. Andererseits könne man aber nicht permanent mit zweistelligen Honorarerhöhungen weitermachen. Schließlich stünden die Ärzte an der "Einkommensspitze aller Akademiker".

Nach Schätzungen des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen kam ein Arzt in Deutschland im vergangenen Jahr auf einen Reinertrag - also abzüglich aller Praxisaufwendungen - von rund 165 000 Euro. Grundlage sind Angaben des Statistischen Bundesamtes. Das wies für 2003 ein Durchschnittseinkommen von 127 000 Euro aus, für 2007 von 142 000 Euro.

Über einen Streik oder Aktionen anderer Art habe man sich keinerlei Gedanken gemacht, sagt der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung im Saarland, Gunter Hauptmann. "Saarländische Ärzte sind besonnen", stellt er klar. Gleichzeitig verteidigt er das Anliegen der Ärzteschaft nach einer Erhöhung der Honorare. "Wir müssen die allgemeine Kostensteigerung irgendwie auffangen, sonst müssen wir die Strukturen zurückfahren. Ein Minus als Abschluss werden wir auf keinen Fall akzeptieren."

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