Streit der Kardinäle

Augsburg/Mainz. Die neu entfachte Debatte über die verpflichtende Ehelosigkeit von Priestern erregt die Gemüter in der katholischen Kirche

Augsburg/Mainz. Die neu entfachte Debatte über die verpflichtende Ehelosigkeit von Priestern erregt die Gemüter in der katholischen Kirche. Dass ein Kardinal einen anderen mit derart scharfen Worten kritisiert, wie der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, den ehemaligen Chefhistoriker des Vatikans, Walter Brandmüller, ist außergewöhnlich: Er "schäme" sich für Brandmüllers Schelte für den Zölibatsvorstoß mehrerer CDU-Politiker, betonte Lehmann.

Der in Rom lebende Kirchenhistoriker forderte in der "Augsburger Allgemeinen" von der Kirche eine kompromisslose Linie und Widerstand gegen den Zeitgeist. "Keinesfalls kann es darum gehen, durch Absenken der Anforderungen einem Mangel an Priestern abzuhelfen", sagte Brandmüller. Er forderte die Bischöfe zur Tapferkeit auf, "wenn es gilt, gegen den Mainstream zu rudern, anstatt mit den Wölfen zu heulen oder vor dem Wolf zu fliehen". Der fränkische Kardinal betonte, der Zölibat sei keine Bürde, "wohl aber eine Hürde, die zu überspringen ist, wenn ein junger Mann der Berufung zum Priestertum folgen will". Wenn er sie nicht überspringen könne oder wolle, sei er auch nicht berufen.

Neu angestoßen wurde die Debatte durch den Brief mehrerer CDU-Politiker, in dem sie die Bischöfe zu einer Abkehr vom Zölibat aufforderten. Zu den Unterzeichnern gehörten Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundesbildungsministerin Annette Schavan sowie die Ex-Ministerpräsidenten Bernhard Vogel, Erwin Teufel und Dieter Althaus. Die Politiker bezeichnen es als "dringend geboten", die deutschen Bischöfe angesichts der "besorgniserregenden Zunahme des Priestermangels" zu bitten, die Zulassung sogenannter viri probati ("bewährter Männer") zum Priesteramt zu ihrem Anliegen zu machen.

Während die Deutsche Bischofskonferenz sehr zurückhaltend auf das Schreiben reagierte, wandte sich Brandmüller mit scharfen Worten gegen den Vorstoß: In einem offenen Brief beklagte er eine "Kampagne", die im Zölibat lebende Priester und auch Jesus Christus beleidige. Die Forderung nähre den Verdacht, "es gehe dabei nicht nur um den Zölibat, sondern um erste Schritte hin zu einer 'anderen Kirche'".

Dieser offene Brief wiederum verstimmte Kardinal Lehmann, der sich hinter Lammert und seine Mitstreiter stellte. Die acht "verdienstvollen CDU-Politiker" hätten an ein "unerledigtes Thema erinnert, das nun schon über 40 Jahre lang immer wieder in der Kirche diskutiert" werde, schrieb Lehmann in der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben". Er habe sich als Bischof "wegen des Tons geschämt", der aus Brandmüllers Brief spreche. Vor allem sei er "zutiefst enttäuscht", wie hier der Bundestagspräsident und eine Bundesministerin "beschimpft" würden: "Dies ist in unserem Land nicht der Stil, mit dem wir auch bei Meinungsverschiedenheiten miteinander umgehen."

Repräsentativ für die Bischofskonferenz ist Lehmanns Standpunkt allerdings nicht: Sie ist in der Zölibats-Debatte gespalten. Ex-Ministerpräsident Vogel berichtete in der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt", er habe "von knapp der Hälfte der Bischöfe in Deutschland Antwortbriefe bekommen, darunter auch von einem Kardinal". Gemeinsam sei diesen Antworten der Respekt vor der Politiker-Initiative gewesen. Im Umkehrschluss heißt das: Mehr als die Hälfte der deutschen Bischöfe hat diesen Respekt nicht bekundet.

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