Strahlender Milliarden-Deal

Berlin · Er soll Rechtsfrieden herstellen – der Entsorgungspakt des Staates mit den Atomkonzernen. Die AKW-Betreiber können sich freikaufen, der Staat stellt ihr Geld für die Mülllagerung sicher. Für Steuerzahler bleibt ein Rest-Risiko.

 Wohin mit dem Atommüll? Ein Endlager gibt es noch nicht. Standorte wie die Anlage Asse sind laut Experten nicht sicher genug. Foto: dpa

Wohin mit dem Atommüll? Ein Endlager gibt es noch nicht. Standorte wie die Anlage Asse sind laut Experten nicht sicher genug. Foto: dpa

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Der Staat kann mit den Energieriesen Vattenfall, Eon, RWE und EnBW einen Vertrag zur Entsorgung des Atommülls schließen: Bis 2022 sollen die Konzerne etwa 23,55 Milliarden Euro an einen Staatsfonds überweisen. Der soll die Zwischen- und Endlagerung managen, die Unternehmen können sich von der Haftung "freikaufen". Für Stilllegung und Verpackung bleiben sie aber verantwortlich. Einen Gesetzentwurf von Union, SPD und Grünen hat der Bundestag nun beschlossen. Die Fakten:

Worauf zielt der Gesetzentwurf?

Spätestens Ende 2022 werden alle Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet, doch der Atommüll bleibt noch Jahrzehnte erhalten. Die Kosten für dessen Entsorgung sollen die Betreiber der Atomkraftwerke zahlen, die Jahrzehnte lang üppige Gewinne erwirtschaftet haben. Die Konzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall haben aber inzwischen mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Daher soll die Finanzierung des Atomausstiegs gesichert werden - auch im Fall einer Konzernpleite. Die Verursacher sollen sich nicht aus der Verantwortung stehlen können. Gleichzeitig sollen das "Überleben" der Energiekonzerne gesichert und Risiken für die Steuerzahler minimiert werden.

Was kosten Stilllegung und Atommüll-Lagerung?

Die von der Bundesregierung eingesetzte überparteiliche Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstieges (KFK) hatte Schätzungen von mindestens rund 48 Milliarden Euro unterstellt - berechnet allerdings zu Preisen von 2014. Das dürfte sich noch ändern. Ein Szenario kam bis 2099 auf Gesamtkosten - mit Inflation und steigenden Kosten - von fast 170 Milliarden Euro .

Haben die Konzerne vorgesorgt?

Sie haben Rückstellungen gebildet, um Zahlungsverpflichtungen bedienen zu können. Zu dieser Absicherung sind sie verpflichtet. Wegen der niedrigen Zinsen mussten die Unternehmen mehr beiseite legen - Ende 2015 knapp 40,1 Milliarden Euro .

Wie soll die Arbeitsteilung von Bund und Konzernen aussehen?

Einen Teil der Rückstellungen sollen die Konzerne behalten, die damit Stilllegung, Rückbau und "endlagergerechte" Verpackung des Mülls finanzieren. Experten rechnen hier mit Kosten von bis zu 60 Milliarden Euro . Eingeführt wird eine gesetzliche Nachhaftung. Die Unternehmen müssen auch Kostensteigerungen tragen. Außerdem werden diese Rückstellungen transparenter ausgewiesen.

Wie wird die Zwischen- sowie Endlagerung geregelt?

Für die langfristige Lagerung des Atommülls wird der Bund zuständig. Die Konzerne sollen dafür ab Juli 2017 etwa 17,4 Milliarden Euro plus Risikoaufschlag von fast 6,2 Milliarden Euro an einen staatlichen Fonds bis zum Jahr 2022 zahlen - um so die Verantwortung für Zwischen- und Endlagerung abzugeben. So kann das Geld im Falle von Konkursen nicht verloren gehen. Zwischen- und Endlagerung dürften sich bis weit ins Jahr 2090 hinziehen. Ein Endlager gibt es noch nicht. Der Fonds soll das Geld anlegen und "arbeiten" lassen, so dass der Betrag in den nächsten Jahrzehnten noch steigt. Das Risiko für die Steuerzahler wird so zumindest minimiert, aber eben nicht komplett ausgeschlossen.

Können sich die Konzerne damit freikaufen?

Von der Haftung freigestellt werden sie, wenn sie bis 2022 jeweils auch den Risikozuschlag an den Fonds überweisen. Auch eine Ratenzahlung ist möglich.

Was ist mit den Klagen der Konzerne gegen den Atomausstieg?

Die Konzerne hatten jüngst angekündigt, ein Bündel Klagen gegen den Staat fallen zu lassen. Koalition und Grüne pochen darauf, dass auch die restlichen Klagen zurückgezogen werden. Dies betrifft den Streit um die Brennelemente-Steuer. Zudem hat Vattenfall vor einem Schiedsgericht in den USA auf 4,7 Milliarden Euro Entschädigung geklagt.

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