Straftat oder politisches Delikt?

Opposition und Koalition streiten erbittert um eine Anhörung Edward Snowdens im NSA-Untersuchungsausschuss. Doch kann der Enthüller aus juristischer Sicht überhaupt problemlos in Deutschland verhört werden? SZ-Redakteurin Iris Neu sprach mit dem Frankfurter Staats- und Völkerrechts-Professor Michael Bothe.

Herr Bothe, die Opposition fordert die Zeugenvernehmung Edward Snowdens im NSA-Untersuchungsausschuss. Wäre es überhaupt problemlos möglich, Snowden in die Bundesrepublik einreisen zu lassen und ihn zu befragen?

Bothe: Ihn von Russland hierherkommen zu lassen, wäre sicherlich kein Problem. Dann aber müsste man sich mit einem amerikanischen Auslieferungsersuchen auseinandersetzen. Und das wäre - rechtlich und politisch - in jedem Fall ein Problem.

Wie sieht denn der rechtliche Hintergrund aus?

Bothe: Es gibt ein deutsch-amerikanisches Auslieferungsabkommen, es gibt auch ein Auslieferungsabkommen zwischen den USA und der EU. Es beruht auf dem Grundsatz: Ausgeliefert werden muss, wer sich nach dem Recht beider Staaten strafbar gemacht hat. Davon kann man im Fall Snowden ausgehen, legt man die Straftat des Geheimnisverrats zugrunde, die in beiden Ländern strafbar ist. Aber es gibt auch da Ausnahmen von der Auslieferungspflicht.

Welche wären das?

Bothe: Es gibt beispielsweise die Ausnahme des politischen Delikts - in dem Fall muss nicht ausgeliefert werden. Dabei handelt es sich um Straftaten, deren wesentlicher Zweck das Erreichen eines politischen Ziels ist. Dazu gibt es - für den Fall Snowden nicht zutreffende - Rückausnahmen, etwa für Terrorakte.

Könnte sich Deutschland im Fall Snowden auf ein politisches Delikt berufen, um ihn nicht ausliefern zu müssen?

Bothe: Auf jeden Fall ist es ein politisch motiviertes Delikt gewesen, daran ist kaum zu zweifeln. Damit wären wir wohl im Bereich der Ausnahme von der Auslieferungsverpflichtung.

Müssten die USA es akzeptieren, dass sich Deutschland auf diese Ausnahme bezieht?

Bothe: Nicht unbedingt. Über die rechtliche Auslegung kann man durchaus streiten und würde das im Fall Snowden sicher tun. Es würde sich dann die Frage stellen, wie die USA und Deutschland diesen Streit regeln.

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