Störfall für den Frieden?

Moskau/Teheran. Für den Iran ist die Eröffnung seines ersten Kernkraftwerks im Atomstreit mit dem Westen auch ein "Triumph über die Isolation". Teheran sei trotz der Sanktionen entschlossen, sein "friedliches Atomprogramm" fortzuführen, betonte Atomchef Ali Akbar Salehi bei der Zeremonie in Buschehr am Persischen Golf

Moskau/Teheran. Für den Iran ist die Eröffnung seines ersten Kernkraftwerks im Atomstreit mit dem Westen auch ein "Triumph über die Isolation". Teheran sei trotz der Sanktionen entschlossen, sein "friedliches Atomprogramm" fortzuführen, betonte Atomchef Ali Akbar Salehi bei der Zeremonie in Buschehr am Persischen Golf. Ab November soll in Buschehr Atomstrom produziert werden. Für die internationale Gemeinschaft ist die von Russland fertiggestellte Anlage ein weiterer Störfall in den Beziehungen zum islamischen Land. Sie schließt nicht aus, dass der Meiler zu militärischen Zwecken missbraucht wird. Russland widerspricht dem. Lange galt Moskau, das Buschehr Brennstäbe liefert, als Teherans Schutzmacht im Atomstreit."Der Iran hat wie jedes Land das Recht auf zivile Nutzung der Kernenergie", unterstrich der Chef des russischen Atomkonzerns Rosatom, Sergej Kirijenko, bei der Eröffnung. Ein Missbrauch der Brennstäbe sei allein schon wegen der Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA ausgeschlossen. Doch jenseits aller Rhetorik suchen Zweifler vergeblich nach einer Garantie, dass Buschehr nicht doch zum Problem wird. Ein Land mit solch riesigen Ölreserven wie der Iran benötige ein Atomkraftwerk nicht zur Energiegewinnung, sondern zum Waffenbau, meinen Skeptiker. In zehn Jahren, so sieht es ein Vertrag vor, muss Russland die Anlage voll in iranische Hände geben. Buschehrs markanter rot-weißer Abluftkamin, der bei dem Kraftwerk in den Himmel ragt, ist fast zehn Kilometer weit zu sehen. Der Schlot und der benachbarte 1000-Megawatt-Leichtwasserreaktor beeinflussen nicht nur das Bild der kleinen Hafenstadt rund 1200 Kilometer südlich von Teheran, sondern prägen auch die Beziehungen zwischen dem Iran und Russland. 1995 hatte sich das Mullah-Regime mit Moskau auf den Bau geeinigt. Zwar hatten westdeutsche Ingenieure in den 1970er Jahren den ersten Spatenstich getan. Nach der Islamischen Revolution von 1979 kündigten sie aber ihre Zusammenarbeit auf. Russland sprang ein, denn das Riesenreich hat umfassende Interessen in der Region. Das größte Land der Erde gehört zu den wichtigsten Waffenlieferanten des Iran, wohl auch deshalb sträubte sich die Führung in Moskau lange gegen neue UN-Sanktionen gegen Teheran. Am Kaspischen Meer bemüht sich der Kreml seit langem, seine Ansprüche auf einen Teil der dort vermuteten Öl- und Gasfelder zu sichern. Eine Atommacht Iran vor der eigenen Haustür will aber auch Russland nicht. Seit langem verfolgt Russland eine Pendeldiplomatie zwischen eigenen Interessen und den Hauptparteien im Atomstreit. Zwar besuchte der frühere Kremlchef Wladimir Putin 2007 als erster Präsident einer Großmacht seit der Revolution den Iran. Dann aber sagte Teheran Atomverhandlungen mit Moskau ab, weil Russland die Inbetriebnahme von Buschehr "aus Gefälligkeit gegenüber dem Westen" verzögere. Die größte Skepsis bezüglich der Anlage herrscht wohl in Israel: Wenige Stunden vor der Beladung mit Brennstäben telefonierte Regierungschef Benjamin Netanjahu mit Putin. Israel forderte am Wochenende, mit internationaler Hilfe Teheran daran zu hindern, sein Atomprogramm weiter auszubauen. Aus den USA kam zunächst kein Kommentar zur Inbetriebnahme von Buschehr. Mit der jetzigen Eröffnung will Russland offenbar zeigen, dass seine Partnerschaft mit dem Iran trotz Differenzen ernst gemeint ist. Die Zeremonie sei jedoch "auffällig moderat" gewesen, kommentierten Beobachter in Buschehr. Im Iran übertrug nur ein kleinerer TV-Sender die Pressekonferenz. Vermutlich habe der Iran für die Eröffnung auf Konzessionen Russlands eingehen müssen, nehmen Insider in Teheran an.Für weitere Unruhe sorgte gestern der Test neuer Militärtechnik durch Teheran. Im Beisein von Präsident Mahmud Ahmadinedschad sei die erste vom Iran gebaute Langstrecken-Kampfdrohne mit einer Reichweite von bis zu 1000 Kilometern präsentiert worden, meldete die Agentur Fars. "Diese Drohne kann ein Botschafter des Todes für die Feinde der Menschheit sein. Zugleich kann sie aber auch ein Bote der Rettung, des Friedens und der Freundschaft sein", sagte Ahmadinedschad.

HintergrundAus Kreisen der Internationalen Energiebehörde IAEA hieß es gestern, Buschehr sei ein so genannter Leichtwasserreaktor und berge damit weniger Gefahr, dass er für ein Atomwaffenprogramm genutzt werde, als andere Arten von Reaktoren. Außerdem unterliege Buschehr schon seit Beginn der Bauarbeiten regelmäßigen Kontrollen durch die IAEA. Die US-Regierung hat nach einem Bericht der "New York Times" Israel überzeugt, dass vom Iran zurzeit keine unmittelbare atomare Bedrohung ausgeht. Demnach stützt Washington seine Einschätzung darauf, dass das iranische Atomprogramm von andauernden Problemen geplagt ist. dpa

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