Steuerplus beflügelt Wahlversprechen

Berlin · Laut einer neuen Prognose erwartet die Bundesrepublik bis 2021 Mehreinnahmen von deutlich über 50 Milliarden Euro.

 Die Steuerschätzung, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gestern vorgestellt hat, übertrifft alle Erwartungen. Politiker aller Parteien versprechen nun Entlastungen. Foto: Hase/dpa

Die Steuerschätzung, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gestern vorgestellt hat, übertrifft alle Erwartungen. Politiker aller Parteien versprechen nun Entlastungen. Foto: Hase/dpa

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Bund, Länder und Kommunen können mit höheren Steuereinnahmen rechnen als ursprünglich veranschlagt. Nach der gestern veröffentlichten Prognose des Schätzkreises werden es bis zum Jahr 2021 rund 54,1 Milliarden Euro mehr sein als noch im November vorhergesagt.

Die Regierung habe "Vorsorge geleistet, dass eine künftige Mehrheit in der nächsten Legislaturperiode Handlungsspielraum hat", sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Hinblick auf die Bundestagswahl. Zugleich dämpfte der CDU-Politiker die Erwartungen für teure Versprechungen. Eine "maßvolle Entlastung" kleinerer und mittlerer Einkommen sei aber möglich, sagte Schäuble. Zuletzt hatte er eine Steuersenkung im Umfang von 15 Milliarden Euro pro Jahr in Aussicht gestellt - freilich erst nach der Wahl im September.

Nach der aktuellen Prognose nimmt der Staat allein in diesem Jahr 732,4 Milliarden Euro ein - 7,9 Milliarden mehr als noch Ende 2016 vorhergesagt. Der unverhoffte Zuwachs ist aber ungleich verteilt. So profitiert der Bund davon mit nur 2,4 Milliarden Euro. Für Länder und Kommunen dagegen stehen 6,5 beziehungsweise 2,5 Milliarden Euro mehr in Aussicht.

Mit der Bekanntgabe der Prognose überschlugen sich gestern die Wahlversprechen. Die Saarbrücker Zeitung fragte dazu bei namhaften Politikern nach:

So erklärte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann: "Damit Konjunktur und Wachstum in Deutschland dauerhaft stabil bleiben, brauchen wir dringend mehr Investitionen in Bildung, Infrastruktur und schnelles Internet." Die Steuermehreinnahmen zeigten aber auch, dass es Zeit für mehr Steuergerechtigkeit sei. Auch die SPD will nach den Worten Oppermanns "kleine und mittlere Einkommen gezielt entlasten". Die gute Entwicklung müsse auch bei denen ankommen, "die jeden Tag hart und ehrlich arbeiten und bei denen es am Monatsende trotzdem knapp wird", sagte Oppermann.

Der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Union, Carsten Linnemann, plädierte für grundlegende Entlastungen: "Das Steueraufkommen hat sich seit 1950 verzwölffacht, die Steuerlast je Einwohner verachtfacht. Mittlerweile zahlen Millionen von Facharbeitern den gleichen Spitzensteuersatz wie ihre Chefs", erläuterte der CDU-Mann. Gleichzeitig überschlügen sich die Steuerrekorde. Es sei "dringend an der Zeit für eine große Steuerstrukturreform, die die Belastung gerade kleiner und mittlerer Einkommen reduziert", so Linnemann. Anders als sein Parteifreund Schäuble hält er sogar jährliche Steuererleichterungen von bis zu 40 Milliarden Euro für erreichbar.

Auch Sahra Wagenknecht, Fraktionschefin der Linken, kritisierte die Steuerbelastungen als viel zu hoch. Allerdings nicht für die Vermögenden. "Das Geld für das Steuerplus hat Schäuble den unteren und mittleren Einkommensbeziehern aus der Tasche gezogen." Die Steuerschätzung unterstreiche die Richtigkeit der Forderung ihrer Partei "nach einer deutlichen steuerlichen Entlastung mittlerer und niedriger Einkommen sowie höherer Steuern für Superreiche, damit eine Stärkung des Sozialstaats und dringend notwendige Investitionen solide finanziert werden können."

 Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.Foto:dpa

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.Foto:dpa

Dagegen verlangte die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckart, die Überschüsse gezielt zur Armutsbekämpfung zu verwenden. "Falls Herr Schäuble es schon vergessen haben sollte: Nicht nur bei den Steuereinnahmen, sondern auch bei der Einkommensungleichheit ist Deutschland auf einem Höchstwert angekommen." Die Armutsziffern, besonders die Kinderarmut stagnierten auf einem erschreckenden Niveau. Nötig seien gezielte Entlastungen für Alleinerziehende sowie für Familien und Menschen mit geringem Einkommen, so die Grünen-Politikerin.

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