Steuerabkommen gerät kräftig ins Wanken
Berlin/Bern. SPD-Chef Sigmar Gabriel kommt bei dem Thema richtig in Fahrt: "Jetzt hat's auch die FTD verstanden: 'Schäuble hat eben doch nicht gut genug verhandelt' beim Schweizer Steuerabkommen", schrieb er am Freitag beim Internetdienst Twitter über einen Beitrag der "Financial Times Deutschland" (FTD)
Berlin/Bern. SPD-Chef Sigmar Gabriel kommt bei dem Thema richtig in Fahrt: "Jetzt hat's auch die FTD verstanden: 'Schäuble hat eben doch nicht gut genug verhandelt' beim Schweizer Steuerabkommen", schrieb er am Freitag beim Internetdienst Twitter über einen Beitrag der "Financial Times Deutschland" (FTD). Gestern legte er nach: "Hier reden wir über organisierte Kriminalität in Schweizer Banken in Deutschland", sagte er dem Deutschlandfunk.Was die Befürworter des umstrittenen Abkommens in Erklärungsnot bringen dürfte, lässt die Gegner des "Schweizdeals" jubeln. Eidgenössische Banken sollen versuchen, deutschen Steuerbetrügern dabei zu helfen, Schwarzgeld gezielt ins "sichere" Ausland zu verschieben. Mit dem jüngsten Kauf von Daten über mutmaßliche deutsche Steuerbetrüger seien die Ermittler an Unterlagen gekommen, die diese Fluchthilfe belegten. Das von Berlin und Bern vereinbarte, aber noch nicht ratifizierte Steuerabkommen würde so vor dem geplanten Inkrafttreten am 1. Januar 2013 unterlaufen.
Die Schweizer Großbank UBS weist den Vorwurf vehement zurück. Nicht wenige Eidgenossen vermuten, die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen fütterten Medien mit Halbwahrheiten über angebliche Inhalte von Steuer-CDs, um das von CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble ausgehandelte und von der Opposition als "ungerecht" und viel zu lasch attackierte Abkommen zu torpedieren.
Unter Steuerfahndern und in deutschen Finanzbehörden wird schon länger über "neue Geschäftsmodelle" Schweizer Geldhäuser gemunkelt, um deutsche Schwarzgeld-Kunden zu halten und zu schonen. Der Leiter der Steuerfahndung in Rheinland-Pfalz, Klaus Herrmann, hatte kürzlich seine Zweifel an dem von Schäuble erhofften Milliardensegen aus dem Abkommen so begründet: "Weil wir wissen, dass sich die Schweizer Banken intern schon darauf vorbereiten, das Abkommen zu unterlaufen." Sieben Modelle seien auf dem Markt, die zumindest die ab 2013 geplante 25-prozentige Quellensteuer auf Kapitalerträge umgehen sollen. Herrmann: "In den Banken werden sie intern als 'Sieben Wege ins Glück' bezeichnet."
Ähnlich die Steuergewerkschaft, die Mitarbeiter in Finanzbehörden vertritt: Schon seit Wochen und Monaten sei in Umlauf, dass Schweizer Banken Strukturen entwickelten, um hartgesottenen Steuerhinterziehern zu helfen, das Geld vor dem Stichtag wegzuschaffen - in Dependancen in Singapur oder Hongkong. Selbst in der schwarz-gelben Berliner Regierung dürften die Meldungen wenig überraschen. Schon vor einem Jahr soll in Ministerien gelästert worden sein: Das Bankkürzel UBS stehe für "Umzugsunternehmen Bern-Singapur".
Die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sieht "keine Anzeichen" dafür, dass deutsches Schwarzgeld von der Schweiz nach Singapur verschoben wird. Das Steuerabkommen mit Deutschland sei "darauf ausgelegt, dass Gelder nicht irgendwohin verschoben werden, sondern hier nachbesteuert werden zu akzeptierbaren Bedingungen", sagte sie der "Aargauer Zeitung". Die Banken hätten sich verpflichtet, solche Transfers nicht vorzunehmen.
Bern ist wegen der Fahndungsaktivitäten in NRW nicht nur irritiert, sondern auch verärgert. Ohne das Abkommen bleibe es bei dem bisherigen Weg, mit Amtshilfe einzelnen Verdachtsfällen nachzugehen oder mit rechtlich fragwürdigen CD-Käufen nach dem Zufallsprinzip Steuerdelikte aufzuspüren. "Die Deutschen müssen sich gut überlegen, ob sie das wollen", sagte Widmer-Schlumpf und stellte klar: "Wir leisten keine Amtshilfe bei Gesuchen, die auf geklauten Daten basieren."