Sterneküche auf dem Eiffelturm

Die Szene ist Hollywood-tauglich. Ein Paar sitzt auf der zweiten Etage des Eiffelturms, blickt über die Dächer von Paris, genießt Champagner und Sterneküche, bis der Kellner ein silbernes Tablett bringt und die Glocke lüftet - mit einem glitzernden Verlobungsring darunter. Da geht der Monsieur in die Knie, um die Hand seiner Herz-Madame zu ergreifen und ihr die Frage aller Fragen zu stellen

 Berauschendes Panorama in 125 Metern Höhe: Besucher des Eiffelturm-Restaurants "Jules Verne" haben einen tollen Blick auf Paris. Foto: Holzer

Berauschendes Panorama in 125 Metern Höhe: Besucher des Eiffelturm-Restaurants "Jules Verne" haben einen tollen Blick auf Paris. Foto: Holzer

Die Szene ist Hollywood-tauglich. Ein Paar sitzt auf der zweiten Etage des Eiffelturms, blickt über die Dächer von Paris, genießt Champagner und Sterneküche, bis der Kellner ein silbernes Tablett bringt und die Glocke lüftet - mit einem glitzernden Verlobungsring darunter. Da geht der Monsieur in die Knie, um die Hand seiner Herz-Madame zu ergreifen und ihr die Frage aller Fragen zu stellen.Für ein Film-Drehbuch mag dies schon zu kitschig-abgeschmackt klingen, für Romantiker aber nach einem Traum. Den sich viele wahr machen: Kaum ein Mittagessen oder abendliches Dîner im Restaurant "Jules Verne" vergeht ohne Heiratsantrag. Mal diskret, mal mit Kniefall und Ring unter der Servier-Glocke oder im Champagner-Glas. Die Kellner spielen die Rolle der Komplizen. "Wir versuchen, alle Wünsche zu erfüllen. Nur den Ring im Dessert gibt es nicht, das ist gefährlich und unhygienisch", sagt Francis Coulon, der den Ablauf im Lokal überwacht.

Und dieser soll perfekt sein - dem Ruf des südwestfranzösischen Spitzenkochs Alain Ducasse entsprechend, der als erster Küchenchef überhaupt drei Sterne für drei verschiedene Restaurants gleichzeitig erlangt und ein weltweites Imperium an Restaurants aufgebaut hat. Zudem veröffentlicht er sein Wissen über die Haute Cuisine in Büchern. Seit vier Jahren Staatsbürger Monacos durfte er im vergangenen Sommer das Menü bei der Hochzeit des Fürstenpaars Charlene und Albert kochen.

Im "Jules Verne", das er Ende 2007 übernommen hat, verlässt er sich auf Küchenchef Pascal Féraud und ein Team aus 105 Mitarbeitern. Das Restaurant ist futuristisch-modern eingerichtet, das Mobiliar in zurückhaltenden Weiß-, Braun- und Creme-Tönen gehalten, die Decke soll die Straßenlinien von Paris nachzeichnen, während der Teppichboden einen Sternenhimmel imitiert. Nichts wird dem Zufall überlassen. Wer zwischen 85 und 200 Euro pro Person für ein Menü bezahlt - mittags ist es günstiger als abends, am Wochenende teurer als an Wochentagen -, bekommt neben raffinierten Küchen-Kreationen aus erlesenen Zutaten ein zwar nüchternes, aber ausgeklügeltes Ambiente geboten. Als wäre der Blick auf Paris aus 125 Metern Höhe und vorbei an den typischen Stahlstäben noch nicht berauschend genug. Im Hintergrund drehen sich die riesigen Räder des Aufzuges, der die Touristen in die Höhe bringt. "Es ist schon besonders, hier zu arbeiten", versichert der mexikanische Sommelier Cuanett Cielo Rogelio. Mit dem Lichteinfall wechsele die Atmosphäre, die tagsüber ganz anders sei als bei Sonnenuntergang oder nachts.

Und doch sollen die Gäste nicht vergessen, dass sie sich hier nicht (nur) auf einer Aussichtsplattform befinden, sondern in einem Speiselokal. Steigen sie aus dem Sonderlift, der sie in den zweiten Stock bringt, blicken sie als erstes durch ein großes Fenster in die Küche - mit rund 50 Quadratmetern räumlich begrenzt. "Die Bedingungen sind nicht einfach", sagt Laetitia Ronabah, seit drei Jahren eine der stellvertretenden Küchenchefs. "Ähnlich wie in einer Schiffsküche muss alles so funktional wie möglich und jeder Quadratzentimeter perfekt ausgenutzt sein." Der Raum selbst ist fensterlos, es dampft und brodelt; vom Privileg, auf dem legendären Wahrzeichen von Paris zu sein, das jährlich fast sieben Millionen Menschen aus der ganzen Welt anzieht, bekommen die Küchenarbeiter wenig mit, während sie kleine Kartoffel-Triangeln in zwei Sorten Fett herausbraten, die die Form des Eiffelturms imitieren, Jakobsmuscheln oder Steinbutt grillen, ein Perlhuhn füllen.

Ducasse setzt auf saisonale Küche, alle sechs Wochen wird die Menükarte angepasst. Er stehe für traditionelle und doch zeitgenössische französische Küche, sagt der Starkoch selbst. Das Restaurant täglich mit frischen Zutaten zu beliefern, ist eine logistische Herausforderung. Um möglichst viel Abfall am Boden zu lassen, wird frühmorgens in einem unterirdischen Vorbereitungskeller unter dem Marsfeld das Gemüse geschält, der Fisch vorbereitet. Bis zehn Uhr müssen der Wein und alle Zutaten des Tages nach oben transportiert sein - das erfordert strikte Organisation. Von diesem Stress sollen die Gäste möglichst wenig mitbekommen. Rund die Hälfte sind laut Ducasses Büro Franzosen, regelmäßig kommen Stammgäste, aber auch Prominente aus der ganzen Welt, Touristen, Geschäftsleute - und eben viele Verliebte. Besonders beliebt sind Heiratsanträge bei Amerikanern und Russen, sagt Francis Coulon.

Die einzigartige Kulisse alleine garantiere allerdings noch nicht Erfolg. "Es kommt vor, dass die Frau Nein sagt, aufsteht und davonrauscht", verrät er und verkneift sich ein verschmitztes Grinsen nicht. Dem Verschmähten bleibe dann nur, die Rechnung zu bezahlen, ein letzter Schluck aus dem Champagner-Glas und der Trost, dass es zumindest ein Korb mit einem einmaligen Ausblick war. "Es ist schon besonders, hier zu arbeiten."

Cuanett Cielo Rogelio, Sommelier

im Eiffelturm-Restaurant "Jules Verne"

Hintergrund

Der Eiffelturm wurde 1889 zum 100-jähirgen Jubiläum der Französischen Revolution und zur Weltausstellung in Paris errichtet. Er ist 324 Meter hoch und 10 100 Tonnen schwer. Die erste Aussichtsplattform liegt auf 57 Metern Höhe. Dort sollen bald kleine Windräder, Solarzellen und ein System zur Verwendung von Regenwasser installiert werden, um den Eiffelturm umweltfreundlicher zu machen. Zudem soll ein Konferenzraum entstehen. Die Arbeiten sollen Ende 2013 abgeschlossen sein. Auf 95 Metern Höhe befindet sich eine Brasserie. Die zweite Etage mit dem Restaurant "Jules Verne" beginnt auf 115 Metern Höhe und die dritte Etage auf 276 Metern über der Erde.

 Süße Verführung, serviert im "Jules Verne": Mango-Sorbet mit Früchten und Macarons. Foto: dpa (3)

Süße Verführung, serviert im "Jules Verne": Mango-Sorbet mit Früchten und Macarons. Foto: dpa (3)

Das Restaurant "Jules Verne" gibt es seit 1983, vor vier Jahren übernahm es der französische Sternekoch Alain Ducasse. Ein Menü kostet an Wochentagen mittags 85 Euro (mit Wein 120 Euro), abends und am Wochenende 165 oder 200 Euro. Das Lokal hat 120 Sitzplätze. Es wurde 2007 neu eingerichtet. Das ursprüngliche Mobiliar wird am 27. September versteigert. hol/afp

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