Steinmeier versichert Türken Solidarität

Berlin · Der Bundestag ist wegen der Entwicklung in der Türkei in großer Sorge. Trotzdem reist Steinmeier nächste Woche erstmals wieder nach Ankara. Dann wird auch die jüngste Verhaftungswelle Thema sein.

 Verhalten kritisierte Minister Steinmeier gestern das Vorgehen Ankaras gegen Regimegegner. Foto: dpa

Verhalten kritisierte Minister Steinmeier gestern das Vorgehen Ankaras gegen Regimegegner. Foto: dpa

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Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD ) will kommenden Dienstag zu Gesprächen mit der türkischen Regierung nach Ankara reisen. Das kündigte der SPD-Politiker gestern in einer Debatte zur Lage in der Türkei im Bundestag an. "Wir müssen fragen, ob das Vorgehen der türkischen Regierung mit den Mindeststandards rechtsstaatlichen Vorgehens vereinbar ist", sagte der deutsche Außenminister mit Blick auf das Vorgehen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen Regierungskritiker. Er warnte davor, die Gespräche mit der Türkei abzubrechen. Einfache Lösungen stünden in dieser Lage nicht zur Verfügung. Es gehe aber jetzt darum, Solidarität mit den Menschen in der Türkei zu zeigen.

Steinmeier kündigte ein Aktionsprogramm an, das in der Türkei Freiräume für die türkische Zivilgesellschaft schaffen und türkischsprachige Online-Medienprojekte fördern solle. Auch wolle die Bundesregierung versuchen, verfolgten Journalisten , Wissenschaftlern und Kulturschaffenden in Deutschland die Weiterarbeit zu ermöglichen. Mit dem Goethe-Institut werde erwogen, ein Büro in der Kurdenmetropole Dyarbakir zu eröffnen. Zudem werde Deutschland seine Rolle als Gastland der Istanbuler Buchmesse nutzen, "um uns für die Freiheit der Zivilgesellschaft stark zu machen". Derzeit stehe die Türkei "an einer Wegscheide", sagte Steinmeier.

Deutschland habe ein Interesse an der europäischen Bindung der Türkei und wolle gute Beziehungen zu dem Land. Leider "hat sich die Realität verändert" und Entscheidungen in Ankara "weisen wohl in die andere Richtung", so Steinmeier.

Deutlicher kritisierte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU ) den Staatschef in Ankara. Angesichts der immer schärferen Repressionspolitik der türkischen Regierung sagte er: "Wir schweigen nicht, wenn in der Türkei die staatliche Rechtsordnung gebeugt und fortgesetzt Grundrechte mit Füßen getreten werden." Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei müsse die Bevölkerung dort erleben, "wie die eigene Regierung mit Zensur, Massenverhaftungen und Entlassungen" offensichtlich systematisch "gegen jede Form politischer Opposition" vorgehe. "Wir erklären unsere Solidarität mit allen aus politischen Gründen verhafteten Parlamentariern, Journalisten , Wissenschaftlern und Beamten."

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch nannte es zynisch, wenn Steinmeier Meinungsvielfalt in der Türkei "erhalten" wolle. "Das ist doch wohl ein Witz", sagte er mit Blick auf Massenverhaftungen von Journalisten und die Schließung oder Beschlagnahme kritischer Medien. Bartsch erinnerte auch daran, dass es Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ) war, die wenige Tage vor den Parlamentswahlen in der Türkei im vergangenen Jahr zu Präsident Erdogan gereist sei und ihm damit aktiv Wahlkampfhilfe geleistet habe. "Brutale Gewalt und systematische Verfolgung in der Türkei", prangerte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) an. Sie verlangte eine Abkehr vom EU-Flüchtlingspakt mit der Türkei, in der niemand mehr ein sicheres Drittland sehen könne. Auch die Grünen-Frau forderte nachdrücklich von der türkischen Regierung die Freilassung der politischen Gefangenen.

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