Steinmeier bläst zum politischen Großangriff

Berlin. Ab heute wollen sich die Sozialdemokraten in mehreren Veranstaltungen auf den Bundestagswahlkampf einschwören. Jetzt sei der "richtige Zeitpunkt, um loszulegen", meinte Parteigeneralsekretär Hubertus Heil gestern nach einer Telefonschaltkonferenz des Präsidiums. Bis zur Bundestagswahl bleiben noch 62 Tage Zeit

Berlin. Ab heute wollen sich die Sozialdemokraten in mehreren Veranstaltungen auf den Bundestagswahlkampf einschwören. Jetzt sei der "richtige Zeitpunkt, um loszulegen", meinte Parteigeneralsekretär Hubertus Heil gestern nach einer Telefonschaltkonferenz des Präsidiums.

Bis zur Bundestagswahl bleiben noch 62 Tage Zeit. Doch während Bundeskanzlerin Angela Merkel gerade erst ihren Urlaub in den Dolomiten angetreten hat, bläst Herausforderer Frank-Walter Steinmeier bereits zum Großangriff.

Am heutigen Dienstag findet in Hannover eine interne Parteiveranstaltung statt, auf der Steinmeier und SPD-Chef Franz Müntefering die sozialdemokratischen Bundestagskandidaten über die Wahlkampflinie informieren. Für die beiden darauf folgenden Tage ist bei Potsdam eine Klausur der engeren Parteiführung terminiert, an deren Ende die offizielle Vorstellung eines "Kompetenzteams" steht. Damit sollen die Inhalte gewissermaßen ein Gesicht bekommen. Erwartet wird, dass dem "Schattenkabinett" sämtliche amtierenden SPD-Minister angehören, denn ein partieller Verzicht käme wohl dem Eingeständnis einer unzureichenden Bewältigung des Jobs gleich.

Eine politische Aufwertung könnte Finanzminister Peer Steinbrück erfahren, indem er auch für das Ressort Wirtschaft steht, das der allseits beliebte CSU-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg innehat. Darüber hinaus will Steinmeier endlich eine ernst zunehmende Gegenspielerin für CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen präsentieren, die man bei den Genossen seit dem Rückzug ihrer ehemaligen Amtsinhaberin Renate Schmidt vergeblich sucht. Mit der erst 35-jährigen Manuela Schwesig (Foto: dpa), sie ist Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern, glaubt Steinmeier, jene Lücke schließen zu können. Auch die Hoffnungsträgerin der Parteilinken, Andrea Nahles, soll in das Kompetenzteam einziehen, wobei noch unklar ist, für welche Aufgabe sie konkret stehen wird, denn ihr vertrautes Gebiet, der Arbeitsmarkt, ist durch den zuständigen Minister Olaf Scholz abgedeckt. Die große inhaltliche Linie im SPD-Wahlkampf steht dagegen schon länger fest: Angesichts der Krise soll in Deutschland alles viel sozialer werden. So bekräftigte Parteigeneral Heil auch noch einmal den jüngsten Vorstoß von Scholz, die Förderung der Altersteilzeit um weitere fünf Jahre zu verlängern und dem Schonvermögen zur Altenversorgung von Hartz-IV-Empfängern keine Grenzen mehr zu setzen.

Ob der SPD die Wähler deshalb in Scharen zulaufen, steht allerdings hin. Nicht nur der gepanzerte Dienst-Mercedes am spanischen Urlaubsort von Ulla Schmidt könnte das Drehbuch zum Wahlkampf durcheinanderbringen. Erinnert doch ihr Verhalten eher an das Motto, Wasser zu predigen, aber Wein zu trinken. Zumindest kommt der ganze Wirbel für die Genossen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt "Ich gebe zu, dass niemand sich gewünscht hat, dass ein Auto geklaut wurde", meinte Heil gestern etwas genervt. Auch in den angekündigten Wohltaten für Langzeitarbeitslose sehen Beobachter einen politischen Bumerang. Schließlich hatte die SPD mit ihrer ungeliebten Agenda 2010 die entsprechenden Gesetze selbst verschärft. In den aktuellen Umfragen wirkt dieser Umstand bis heute nach. Die Partei verharrt an der dürftigen 25-Prozent-Schwelle und liegt damit schon seit Monaten um mindestens zehn Prozentpunkte hinter der Union.

Viel Arbeit also für den Merkel-Herausforderer Steinmeier, dem selbst viele Genossen nicht recht zutrauen, die Wende noch zu schaffen. Ein Indiz dafür sind die zahlreichen Durchhalteparolen, die das Willy-Brandt-Haus auch gestern wieder verbreitete: "Wir sind uns sicher, dass das Rennen offen ist", meinte Heil. Steinmeier will übrigens schon in der kommenden Woche auf Tuchfühlung mit dem Wähler gehen. Eine viertägige "Sommerreise" führt den Kandidaten u.a. nach Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen.

Hintergrund

Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) geht davon aus, dass die zum Jahresende auslaufende Regelung zur geförderten Altersteilzeit doch noch verlängert wird. Zuspruch bekam aus der SPD und den Gewerkschaften.

CDU und Arbeitgeberverbände hingegen übten heftige Kritik. So erklärte die Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände e.V. (VSU) gestern: "Das kostet die Beitragszahler viel Geld und hat in der derzeitigen Krise keinerlei Auswirkungen." Allenfalls nach 2013 würden dann Stellen durch ausscheidende Altersteilzeiter erstmals frei werden. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sagte, die SPD führe seit elf Jahren das Arbeitsministerium und habe genug Zeit gehabt, solche Vorschläge umzusetzen. CSU-Chef Horst Seehofer sprach von "Wahlkampfklamauk". Das gelte auch für den Scholz-Vorschlag, für Hartz-IV-Empfänger das Schonvermögen zur Altersvorsorge zu erhöhen. dpa

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