Staatskrise im Urlaubsparadies

Singapur. Das Urteil des thailändischen Verfassungsgerichts war ein erwartetes Donnerwetter mit ungewissen Folgen. Mit der Verurteilung der Regierungspartei PPP wegen Wahlbetrugs, mit der Auflösung der PPP und dem Aus für den Regierungschef Somchai Wongasawat haben die neun Richter die politischen Gemüter eher angeheizt als beruhigt

Singapur. Das Urteil des thailändischen Verfassungsgerichts war ein erwartetes Donnerwetter mit ungewissen Folgen. Mit der Verurteilung der Regierungspartei PPP wegen Wahlbetrugs, mit der Auflösung der PPP und dem Aus für den Regierungschef Somchai Wongasawat haben die neun Richter die politischen Gemüter eher angeheizt als beruhigt. Der tiefe Graben zwischen den armen Massen und den einflussreichen Eliten wurde damit nicht überbrückt. Und die schwerste politische Krise seit Jahrzehnten ist noch lange nicht gelöst.Im Gegenteil. Die Regierungsanhänger sind erbost und werfen den Richtern vor, sie um den legitimen Wahlsieg im Dezember bringen zu wollen. "Die PPP-Anhänger akzeptieren das Urteil nicht", sagte Paporn Boonkhan (46), Mitglied der regierungsnahen Demokratischen Allianz gegen Diktatur (DAAD). "Wir akzeptieren nur die Demokratie." Der Mann war eigens hunderte Kilometer aus den nördlichen Provinzen in die Millionenstadt Bangkok gereist, um die Regierung zu unterstützen.Der Frust der meist in Rot gekleideten DAAD-Mitglieder sitzt tief. Ihre Empörung über die von der Polizei geduldeten Blockadeaktionen der Regierungsgegner ist schon einmal in Gewalt umgeschlagen: Im Oktober wollten Anhänger den Regierungssitz in Bangkok räumen, den die Regierungsgegner seit August besetzt hatten. Es kam mit den dort kampierenden Anhängern der außerparlamentarischen Opposition PAD zu den schlimmsten Straßenschlachten seit 16 Jahren in Bangkok.Die PAD, die sich in der Königsfarbe Gelb kleidet und damit besondere Monarchietreue unter Beweis stellen will, hat nach Überzeugung von Politologen im Land einflussreiche Unterstützer. Ein Unternehmer und ein Ex-General gehören zu ihren Gründern, Beamte und Akademiker waren unter den Besetzern an den Flughäfen. Die Bewegung wird von wohlbetuchten Familien aus Bangkok großzügig unterstützt.Königin Sirikit nahm im Oktober demonstrativ an dem Begräbnis eines PAD-Anhängers teil, der bei den Zusammenstößen mit den "Rothemden" ums Leben gekommen war. Die Regierungsgegner sind jetzt überzeugt, dass auch die Verfassungsrichter PAD-Sympathien hegen. Der langjährige Thailand-Kenner und Analyst Chris Baker schließt nicht aus, dass das Gericht noch einem Trumpf im Ärmel hält. "Dass die Richter so schnell zu ihrem Urteil kamen, legt nahe, dass das nur das halbe Szenario war. Das andere halbe kennen wir noch nicht." So könnte das Verfassungsgericht - wie von der PAD verlangt - eine Übergangsregierung ernennen, und danach Neuwahlen anordnen.Bevor es dazu kommt, haben die Wahlsieger vom vergangenen Dezember allerdings noch eine Chance. Die rund 230 Abgeordneten der aufgelösten Regierungspartei haben ihre Parlamentssitze ja nicht verloren. Sie könnten sich ihren verbliebenen Koalitionspartnern anschließen oder unter einem eigenen neuen Parteibanner zusammentun und dann aus ihrer Mitte einen neuen Regierungschef wählen. Dafür haben sie zwei Wochen Zeit. Erst wenn das scheitert, ist das Verfassungsgericht wieder am Zuge. Die Gefahr eines Militärputsches ist noch nicht gebannt, meint Chaturon Chaisaeng, ein früherer Minister mit engen Verbindungen zur aufgelösten Regierungspartei. "Ich glaube, die PAD und einige Akademiker legen es auf einen Putsch an, oder sie beknien den König, die Sache in die Hand zu nehmen." Der seit mehr als 60 Jahren amtierende Bhumibol Adulyadej ist die höchste moralische Autorität im Land. Er wird von allen Seiten tief verehrt. An diesem Freitag wird er 81 Jahre alt. Am Vorabend seines Geburtstags redet er seinem Volk immer ins Gewissen. Thailand wartet mit Spannung auf seine weisen Worte.

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