Spiegel-Glanz unter der Wüstensonne

Ouarzazate ist eine tonfarbene Stadt mitten im Nichts. Kilometerweit nur Steine und Sand, in der Ferne zeichnen sich im Dunst die Gipfel des Atlasgebirges ab. Hier wurden unter anderem "Star Wars" und "Game of Thrones" oder auch Ridley Scotts "Königreich der Himmel" gedreht. 320 Tage im Jahr scheint die Sonne, so viel und so kräftig wie sonst kaum irgendwo auf der Welt. Hier baut das Königreich Marokko an seiner Zukunft. Vielleicht nicht nur an seiner eigenen.

Die Gegend ist wie geschaffen für ein Solarkraftwerk, und der Kraftwerks-Komplex Noor wird eines der größten der Welt. 580 Megawatt Leistung auf rund 30 Quadratkilometern Fläche, in einer Gegend wie dieser ist das kein Problem. Marokko, Gastgeber der diesjährigen Weltklimakonferenz, zeigt das Pilotprojekt gern. Das Besucherzentrum, in dem die deutsche Delegation um Umweltministerin Barbara Hendricks mit festen Schuhen und Helmen ausgestattet wird, könnte auch ein Luxushotel sein.

Strom aus Sonnenenergie ist in Marokko etwas Neues. Das Land verließ sich bisher weitgehend auf Kohle , Öl und Gas. Aber König Mohammed VI. und seine Regierung haben entschieden, die Produktion von Ökostrom aus Wind, Sonne und Wasserkraft schnell auszubauen: 52 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 sind das Ziel. Deutschland peilt derzeit 55 bis 60 Prozent bis 2035 an.

Eines von vier Noor-Kraftwerken ist schon am Netz, bis Ende 2018 soll alles fertig sein. Die gigantischen Spiegel, die - je nach Kraftwerkstyp - Öl erhitzen oder direkt Salz zum Schmelzen bringen, sollen einmal zwei Millionen Marokkaner mit Strom versorgen. Umgerechnet 2,2 Milliarden Euro müssen investiert werden. Deutschland schießt über die KfW Entwicklungsbank ordentlich zu. Auch im Interesse des Weltklimas: "Wir appellieren an Marokko, nicht neu in Kohle zu investieren", sagt Hendricks. Noch ist es nicht so weit.

Solarthermie-Kraftwerke wie bei Ouarzazate, die aus der Sonnenenergie zunächst Wärme gewinnen, produzieren Strom teurer als Photovoltaik. In Marokko hält man sie trotzdem für zukunftsweisend, weil der Strom hier gespeichert wird. Am meisten davon braucht das Land ab 18 Uhr abends, wenn die Sonne untergeht. Die Technologie sei "sehr wettbewerbsfähig", sagt Bauleiter Raschid Bayet.

Die deutsche Umweltministerin betrachtet interessiert die riesigen Spiegel, die in der Wüstensonne strahlen. "Das ist auf jeden Fall ein Beispiel für Afrika", sagt die SPD-Politikerin - jedenfalls in der Nähe großer Städte und wo Leitungen vorhanden seien. Anderswo brauche es vielleicht dezentrale Lösungen.

Markus Faschina von der Entwicklungsbank KfW arbeitet seit 16 Jahren in afrikanischen Ländern. Bis vor ein, zwei Jahren sei Ökostrom dort als etwas für Reiche betrachtet worden, als Spielwiese für diejenigen, die alles andere haben. "Aber der Bau dieses Kraftwerks, dass Marokko sich darauf einlässt, das war ein starkes Signal", sagt er. Im Senegal sei gerade erst ein Solarkraftwerk ans Netz gegangen. Es gehe nicht nur um Klimaschutz, sondern auch darum, sich von Importen und schwankenden Weltmarktpreisen unabhängig zu machen.

Wird Ouarzazate zum Vorbild? Die Autoren einer Studie des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam aus diesem Jahr sehen in erneuerbaren Energien eine große Chance für den Kontinent. Sie benennen aber auch die Probleme und Risiken: Fehlende Investitionen, lückenhafte oder uneinheitliche rechtliche Rahmenbedingungen, fehlende Kompetenzen für Betrieb und Wartung und die Schwierigkeit, den Ökostrom ins bestehende System einzuspeisen.

Trotzdem hoffen unter anderem deutsche Politiker darauf, dass die afrikanischen Länder ihre Stromversorgung mit Hilfe von Sonne, Wind und Wasser ausbauen, nicht mit Kohle , Öl und Gas. Afrika könne ein "grüner Kontinent" werden, prophezeit Entwicklungsminister Gerd Müller . "Sobald es uns gelingt, aus der Sonne der Sahara Energie für die Zukunft Afrikas zu machen, wird dieser Kontinent Entwicklungssprünge machen."

Ouarzazate ist dafür ein ganz gutes Beispiel, auch wenn viele Arbeiter aus dem Ausland kommen und der Wasserverbrauch der Anlage je nach Jahreszeit ein Problem darstellt. Dennoch bescheinigen die Entwicklungsorganisation Germanwatch und das Wuppertal Institut dem Projekt eine "Vielzahl von Zusatznutzen für die gesamte Region". Und Bauleiter Bayet ist sich sicher: "Das ist nur der Beginn eines großen, großen Abenteuers."

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