SPD verspricht vier Millionen neue JobsSeehofer wirft Steinmeier Planwirtschaft vor

Berlin. Die SPD ringt weiter um eine politische Offensive. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier will heute einen so genannten Deutschland-Plan präsentieren, in dessen Mittelpunkt offenbar die massenhafte Schaffung zukunftsfähiger Jobs stehen soll. Entsprechende Pläne waren am Wochenende bekannt geworden

Berlin. Die SPD ringt weiter um eine politische Offensive. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier will heute einen so genannten Deutschland-Plan präsentieren, in dessen Mittelpunkt offenbar die massenhafte Schaffung zukunftsfähiger Jobs stehen soll. Entsprechende Pläne waren am Wochenende bekannt geworden. Deshalb hagelte es auch schon Kritik, noch bevor Steinmeier seine Rede überhaupt halten konnte. Die Grünen halten den Plan für realitätsfern. Aus Union und FDP kam Hohn und Spott.

"Wir zeigen, wie Deutschland mit kluger Politik im nächsten Jahrzehnt insgesamt vier Millionen neue Arbeitsplätze schaffen kann", zitierte das Magazin "Der Spiegel" vorab aus der Vorlage Steinmeiers. Weiter heißt es: "Bis 2020 wollen wir die Arbeitslosigkeit besiegen." Bereits vor fünf Jahren hatte der damalige SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement prophezeit, bis 2010 könne es in Deutschland Vollbeschäftigung geben. Durch die aktuelle Krise ist die Republik davon jedoch weit entfernt. Arbeitsmarktexperten gehen für 2010 von bis zu fünf Millionen Beschäftigungslosen aus.

Dem Konzept Steinmeiers zufolge sollen rund zwei Millionen Industrie-Arbeitsplätze durch den sparsameren Einsatz von Energie und Rohstoffen sowie durch die Förderung grüner Schlüsseltechnologien wie etwa der Elektromobilität geschaffen werden. Weitere 1,5 Millionen neue Jobs verspricht sich der Kandidat in der Kranken- und Altenpflege und im Medienbereich. Weitere 500 000 Arbeitsplätze sollen im Handel und bei sonstigen Dienstleistungen entstehen. Über die Finanzierung werden in dem Konzept laut "Spiegel" keine detaillierten Angaben gemacht. Das konkrete Job-Versprechen ist gleichwohl ein Kurswechsel im Wahlkampf der Partei. In ihrem Wahlprogramm, das die SPD im Juni verabschiedet hatte, sind an dieser Stelle nur Allgemeinplätze formuliert. So heißt es dort zum Beispiel: "Alle sollen Arbeit haben, gerecht entlohnt."

Die neue Lesart Steinmeiers orientiert sich stark an den Wahlaussagen der Grünen, die ebenfalls eine massenhafte Schaffung von neuen Arbeitsplätzen in Aussicht gestellt haben. Trotzdem ging die Partei am Wochenende auf Distanz zu ihrem potenziellen Koalitionspartner. Grünen-Chef Cem Özdemir warf den Genossen Realitätsferne bei deren Job-Plänen vor. "Es ehrt die SPD, dass auch sie Jobs durch eine ökologisch-soziale Modernisierung schaffen will. Aber ich rate dazu, sich dabei auf die kommenden vier Jahre zu beschränken und keine Luftbuchungen zu machen, von denen man überhaupt nicht weiß, inwiefern sie funktionieren können", sagte Özdemir unserer Zeitung. "Da die Auswirkungen der aktuellen Krise immer noch nicht im vollen Umfang abschätzbar sind, wäre ich sehr vorsichtig mit solchen Versprechungen." Die Grünen hätten für die kommende Legislaturperiode ein Konzept für eine Million neuer Arbeitsplätze, erinnerte Özdemir. "Schon das ist ein ehrgeiziges Vorhaben."

Union und FDP ließen naturgemäß kein gutes Haar an den Sozialdemokraten. "Die Menschen sind es leid, immer zu Wahlkampfzeiten mit Versprechen überschüttet zu werden", kritisierte CSU-Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sprach von einem "Akt der Verzweiflung, um mit einem unseriösen Wahlgeschenk die am Boden liegende SPD wieder aufzurichten". Auch nach Ansicht der Linken haben die Sozialdemokraten ihre Glaubwürdigkeit verspielt. "Was die SPD in elf Jahren Regierungsverantwortung nicht geschafft hat, verspricht sie jetzt", erklärte Parteigeschäftsführer Dietmar Bartsch.

Berlin. CSU-Chef Horst Seehofer hat dem SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier vorgeworfen, mit seinen Plänen für Vollbeschäftigung bis zum Jahr 2020 zur sozialistischen Planwirtschaft zurückzukehren. "Wenn es so einfach wäre, nur ein Papier zu schreiben: Seite 1: 500 000 neue Jobs in der Baubranche, Seite 2: 200 000 neue Jobs in der Autoindustrie! Dieses simple Ausgeben von Zielmarken erinnert mich doch sehr stark an die Illusionen der sozialistischen Planwirtschaft", sagte Seehofer dem "Handelsblatt". red

"Alle sollen Arbeit haben, gerecht entlohnt."

Aus dem SPD-Wahlprogramm

Meinung

Steinmeiers Schnellschuss

Von SZ-Korrespondent

Stefan Vetter

Eines muss man dem Kandidaten auf jeden Fall zugute halten: Frank-Walter Steinmeier lässt sich die Verzweiflung nicht anmerken, in der sich seine SPD befindet. Denn bislang ging für die Partei im Wahlkampf fast alles schief. Der geplante Aufbruch gleich nach der Europawahl fiel wegen des katastrophalen Ergebnisses ins Wasser. Beim politischen Gezänk in der schleswig-holsteinschen Provinz machten die Genossen ebenfalls keine gute Figur. Und die Inthronisierung des Kompetenzteams wurde von einer hausgemachten Dienstwagenaffäre überschattet. Nun soll der "Deutschland-Plan" die ersehnte Wende bringen.

Steinmeier verspricht dem Land gleich vier Millionen neue Jobs. Andere Parteien versprechen Ähnliches. Doch bei der SPD schaut man ganz genau hin. Und da eben könnte sich die frohe Botschaft auch rächen. Wer eine kräftige Senkung des Eingangssteuersatzes verspricht und eine höhere fiskalische Belastung der Spitzenverdiener bereits für zusätzliche Bildungsausgaben verplant hat, muss sich schon fragen lassen, wie er die Job-Offensive zu finanzieren gedenkt. In der Diskussion über das Wahlprogramm der Partei wäre dazu ausgiebig Gelegenheit gewesen. Doch dieses Dokument ist längst verabschiedet. Und zwar ohne Steinmeiers Verheißung. Nun wirkt sie wie ein politischer Schnellschuss. Viele dürften den als Hohn empfinden, sollten die Arbeitslosenzahlen noch vor der Wahl in erschreckende Höhe klettern.

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