SPD-Chef Gabriel prescht bei der Rente vor

Berlin. Ein Befreiungsschlag war das wohl nicht. Dazu kam der Beifall von der falschen Seite, unter anderem von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wollte mit dem von ihm am Wochenende vorgelegten Rentenkonzept einen lange schwelenden innerparteilichen Streit entschärfen

 SPD-Chef Sigmar Gabriel will mit seinem Rentenkonzept innerparteilichen Streit entschärfen. Doch prompt flammt Kritik auf. Foto: dpa

SPD-Chef Sigmar Gabriel will mit seinem Rentenkonzept innerparteilichen Streit entschärfen. Doch prompt flammt Kritik auf. Foto: dpa

Berlin. Ein Befreiungsschlag war das wohl nicht. Dazu kam der Beifall von der falschen Seite, unter anderem von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wollte mit dem von ihm am Wochenende vorgelegten Rentenkonzept einen lange schwelenden innerparteilichen Streit entschärfen. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und die Senkung des Rentenniveaus hat die Partei in den letzten Jahren weit stärker zerrissen als die Hartz-Reformen. Doch schon heute wollen die Kritiker im SPD-Parteivorstand Klartext reden. Beim Parteitag im November könnte es zur Kampfabstimmung kommen.Dabei ist Gabriels Projekt ambitioniert: "Die Rentenpolitik wieder vom Kopf auf die Füße stellen", so lautet der Anspruch des 33 Seiten dicken Konzepts, das der SPD-Chef zusammen mit einem Expertenzirkel zu Papier gebracht hat.

Bis zuletzt hatte der Parteichef gemauert. Es gebe noch nichts Fertiges, blockte er immer wieder Fragen nach dem mehrfach verschobenen Rentenkonzept ab. Doch plötzlich ging es ganz schnell. Als die Arbeitsministerin in der vergangenen Woche das Konzept für eine Zuschussrente vorstellte, stand die SPD bei dem ur-sozialdemokratischen Thema Rente auf einmal ohne Antwort da. Daher wurde die Veröffentlichung vorgezogen. Spürbar war bei der SPD die Sorge, ansonsten die Deutungshoheit über das Rententhema zu verlieren. Die Abfuhr, die sich von der Leyen in der eigenen Partei einhandelte, wurde in der SPD als Glücksfall begrüßt. Nun sieht man die Chance, noch vor der Wahl in einem Jahr in die Offensive zu kommen.

Gabriel braucht aber erst mal innerparteilich mehr Ruhe. Er kommt jetzt Parteilinken und Gewerkschaften etwa bei der Erwerbsminderungsrente und anderen recht kostspieligen Stellschrauben im Kampf gegen Altersarmut weit entgegen. Doch ihre Forderungen übernahm er ausdrücklich nicht. An der bisherigen Rentenformel soll nicht gerüttelt werden.

Es dürfte noch daher viel Überzeugungsarbeit nötig sein. Ein "massives Problem" meldet etwa die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Elke Ferner, mit der von Gabriel geplanten zusätzlichen Förderung der betrieblichen Altersversorgung an. Diejenigen, die so eine Ergänzungszahlung zur Rente am meisten bräuchten, Menschen in prekären Jobs, seien nicht in tarifgebundenen Betrieben beschäftigt und hätten nichts davon, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Saarbrücken. Gabriel braucht in seinem Konzept diese Betriebsrenten, um an der 2004 beschlossenen Absenkung des Rentenniveaus von jetzt 50 auf 43 Prozent des alten Nettoeinkommens bis 2030 festhalten zu können. Denn diese Absenkung, das ist Konsens, kann bei vielen Menschen zu Altersarmut führen. Die Betriebsrenten, aber auch die bessere Anrechnung von Kindererziehungszeiten, der Ausbau der Erwerbsminderungsrente und höhere Entgeltpunkte für Zeiten der Arbeitslosigkeit sollen in Gabriels Konzept das Risiko von Altersarmut mindern. Die Kosten von über 25 Milliarden Euro im Jahr 2030 sollen zum Großteil aus Steuermitteln kommen.

Mit seinem Konzept hat Gabriel trotz allem Entgegenkommens laut Ferner alle vier großen SPD-Arbeitsgemeinschaften gegen sich. Neben denen der Frauen auch die der Arbeitnehmer, die Jungsozialisten und die Arbeitsgemeinschaft 60 Plus. Auch die Parteilinke dürfte Nein sagen. "Unser Ziel bleibt es, das Rentenniveau nicht abzusenken", sagte Ferner. Auf das Argument in Gabriels Papier, dass dann die Beiträge auf 25 Prozentpunkte steigen würden, entgegnete sie trocken: "Wir wissen, dass das Beitragssteigerungen zur Folge hat". Aber wenn die Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung unter 50 Prozent sänken, gerate das System "insgesamt in eine Legitimationskrise".

Weniger strittig dürfte der Satz in dem Gabriel-Papier sein, dass es bei der Rente mit 67 bleibt. Ferner sagte, sie gehe davon aus, dass der bisherige Parteitagsbeschluss gelte, wonach die Rente mit 67 ausgesetzt wird, solange nicht mehr als 50 Prozent der 60- bis 65-jährigen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen. Ein entsprechender Hinweis fehlt in dem Gabriel-Papier, was Ferner heute anmahnen will. Sie gehe davon aus, dass das nur Formsache sei, sagte sie.

"Unser Ziel bleibt es, das Rentenniveau nicht abzusenken."

SPD-Bundestagsabgeordnete Elke Ferner

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