Spaniens König sagt Adios

Madrid · Er werde mit der Krone auf dem Kopf sterben. So soll es der spanische König gesagt haben. Nun dankt Juan Carlos doch ab und beendet eine Ära in Spanien. Zuletzt war seine Amtszeit von Skandalen überschattet.

Es war sichtlich die schwerste Ansprache des spanischen Königs an das Volk: "Ich habe entschieden, meine Regentschaft zu beenden und abzudanken", erklärte ein bewegter König Juan Carlos per TV-Ansprache den Spaniern. Der 76-Jährige, der nach einer Reihe von Hüft- und Knieoperationen am Stock geht, saß im mausgrauen Anzug hinter seinem Schreibtisch. Mit feuchten Augen und unruhigen Händen, die er immer wieder ineinander verschränkte, um sie nicht zittern zu lassen.

"Heute verdient eine jüngere Generation, in erster Reihe zu stehen und jene Reformen voranzubringen, welche diese Zeit erfordert", nuschelte Juan Carlos. Sein 46-jähriger Sohn Felipe sei ein gut vorbereiteter und würdiger Nachfolger. Und: "Ich habe immer das Beste für Spanien gewollt." Dann folgte die spanische Nationalhymne.

Es war mittags gegen 13 Uhr, Spaniens 46 Millionen Bürger hielten den Atem an, Radio- und Fernsehapparate waren überall voll aufgedreht. Die Nation war Stunden zuvor gewarnt worden: Denn ein bitterernst ausschauender Regierungschef, der konservative Mariano Rajoy, hatte die Bombe bereits am Vormittag platzen lassen. Und dem überraschten Volk mitgeteilt, "dass dies der beste Zeitpunkt sei, damit die Thronfolge mit völliger Normalität erfolgen kann". Die Ernennung Felipes werde schon in "in Kürze" geschehen, einen konkreten Zeitpunkt nannte er nicht.

Rajoy und der König gaben zu verstehen, dass die Abdankung eine in "mehreren Monaten" gereifte Entscheidung gewesen sei. Was die meisten Menschen auf der Straße nicht so recht glauben wollten. Hatte nicht das Königshaus selbst immer wieder alle Abtrittsgerüchte dementiert? "Ich werde mit der Krone auf dem Kopf sterben", hatte Juan Carlos angeblich zu den Seinen gesagt. Und Königin Sofia war mit den Worten zitiert worden. "Könige treten nicht ab, sondern sie sterben im Bett." "Sogar Leute aus seiner Umgebung fielen aus allen Wolken", berichtete Spaniens größte Tageszeitung "El Pais", die schon am Nachmittag Extraausgaben mit der "historischen Nachricht" druckte.

"Ich wollte der König aller Spanier sein", sagte traurig Juan Carlos in seiner Abschiedsrede. Doch die goldenen Zeiten des einst so volksnahen Monarchen, der deswegen einmal als "Bürgerkönig" galt, sind schon länger vorbei. Nach 39 Jahren auf dem Thron wackelte das Denkmal des Königs erheblich. Laut Umfragen wünschte sich die große Mehrheit der Spanier, dass sich der Monarch endlich aufs Altenteil zurückzieht.

In den letzten Jahren produzierte Juan Carlos vor allem mit Stolperunfällen, Krankenhausaufenthalten und mutmaßlichen Liebesaffären Schlagzeilen. Das Bild eines Königs, der nur noch mit Krücke laufen konnte, schien symptomatisch für das wankende Königshaus. "Eine Monarchie am Stock", titelten die Medien.

Spätestens jener Luxus-Jagdausflug nach Botswana, wo Ihre Hoheit im Frühjahr 2012 auf Elefanten anlegte, öffnete der spanischen Öffentlichkeit die Augen. Eine Safari, bei der sich der König nicht nur die Hüfte brach, sondern auch mit seiner "amiga" (Freundin), der 30 Jahre jüngeren Deutschen Corinna zu Sayn-Wittgenstein, erwischt wurde. Unumstritten ist Juan Carlos' Verdienst in der Vergangenheit: Vor allem den älteren Menschen ist der König als jener Mann in Erinnerung, der Spanien von der Diktatur, die 1975 nach dem Tod von General Franco zu Ende ging, zur Demokratie steuerte. Die älteren Spanier haben auch nicht vergessen, wie Juan Carlos am 23. Februar 1981 einen Putschversuch rechter Militärs stoppte."Thronfolger zu sein, bedeutet nicht zu warten", sagte Spaniens Kronprinz Felipe einmal. "Sondern sich darauf vorzubereiten, irgendwann König zu sein." Felipe, der 46 Jahre alt ist, wurde praktisch seit seiner Geburt mit einer Eliteausbildung dafür präpariert, Spaniens König und damit Staatsoberhaupt zu werden. Er gilt nahezu als der perfekte Prinz: diplomatisch und sympathisch. Weibliche Fans rufen ihm auf der Straße sogar das Kompliment "guapo" (Hübscher) zu.

Nun, nachdem sein 76-jähriger Vater Juan Carlos die Abdankung ankündigte, ist der große Augenblick für den Kronerben gekommen: Felipes größte Herausforderung als Spaniens neuer König wird dann sein, Spaniens wankende Monarchie vor dem weiteren Absturz und vielleicht sogar Untergang zu retten. Er gilt als Hoffnungsträger der Monarchisten.

Mangel an Erfahrung hat Felipe, der mit seinen 1,97 Metern übrigens der größte Thronfolger der Welt ist, sicherlich nicht. Er vertritt als "Vizekönig" schon länger seinen schwächelnden Vater. Und er hat sich bei offiziellen Anlässen in der Nation wie im Ausland Ansehen und Achtung erworben. Die Hofexperten bescheinigen, dass er seine lange Prüfungsstrecke als "Königslehrling" mit Bravour bestand.

Gerade erst, am 22. Mai 2014, feierte Felipe seine "Rosenhochzeit " mit der bürgerlichen Fernsehjournalistin Letizia (41), die er vor zehn Jahren geheiratet hatte.

Vor allem dem Einfluss der bodenständigen Letizia wird zugeschrieben, dass der Adelsspross, der früher als steif und verwöhnt galt, heute sehr viel lockerer und volksnaher auftritt. "Die Prinzessin", berichtet man am Hofe, "hat Felipe in die Wirklichkeit zurückgeholt." Felipe wirke ausgeglichener und offener als je zuvor, wird gelobt. Letizia korrigiert angeblich sogar Felipes Redemanuskripte und soll die Hosen in der Ehe anhaben.

Schon bei der gemeinsamen Hochzeitsankündigung ließ Letizia durchblicken, dass sie eine ziemlich emanzipierte Frau ist: Sie fuhr Felipe mit dem legendären Satz "Lass mich mal ausreden" über den Mund, als dieser sie unterbrechen wollte.

Felipe hat sich derweil einen Ruf als tauglicher Thronfolger erarbeitet: Er gilt Umfragen zufolge als beliebtestes Mitglied der Royals. Etwa zwei Drittel der Bürger haben eine positive Meinung über den sportlichen Königsspross. Alle Skandale des Palastes überstand der Thronerbe unbeschadet.

Felipe mied jeglichen Kontakt mit dem schwarzen Schaf der Familie, dem königlichen Schwiegersohn Iñaki Urdangarin, welcher des Betrugs und der Korruption beschuldigt wird. Auch mit seiner Schwester Cristina und Urdangarins Ehefrau, die ebenfalls in die Affäre verwickelt ist, spricht er nicht mehr viel. Zu den Fehltritten seines Vaters schwieg er vornehm.

Letizia schaffte es bisher nicht, die Herzen der Spanier landesweit zu erobern und ist weniger populär. Vielleicht weil sie sich so krampfhaft bemüht, eine perfekte Prinzessin zu sein, dass dabei zuweilen ihre Natürlichkeit auf der Strecke bleibt. Aber wohl auch, weil sie meist im Schatten ihres Mannes steht. Dabei hat sie längst ihren eigenen Job: Sie engagiert sich für sozial Benachteiligte, Kranke und setzt sich für Bildung ein.

Zum Thema:

Auf einen BlickDer spanische König Juan Carlos dankt nach 39 Jahren ab und macht den Thron für seinen Sohn Felipe frei. Hier weitere Beispiele aus Europa. Belgien: Nach knapp 20 Jahren auf dem Thron dankt König Albert II. im Juli 2013 im Alter von 79 Jahren ab. Sein ältester Sohn Philippe folgt ihm auf dem Thron. Niederlande: Nach 33 Jahren dankt Königin Beatrix im April 2013 im Alter von 75 Jahren ab. Nachfolger seiner Mutter wird Willem-Alexander. Liechtenstein : Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein überträgt die Amtsgeschäfte im August 2004 an seinen ältesten Sohn, Erbprinz Alois. Der Fürst ist aber bis heute das offizielle Staatsoberhaupt. Luxemburg: Großherzog Jean dankt im Jahr 2000 nach 36 Jahren ab, sein Nachfolger wird Erbgroßherzog Henri. afp

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