Spanien ist nicht GriechenlandGriechische Tragödie bedroht Banken In Finanzkrisen blüht regelmäßig der Handel mit Risiken

Madrid/Lissabon. "Spanien ist nicht Griechenland", wiederholt die spanische Finanzministerin Elena Salgado dieser Tage beschwörend. Ihr wichtigster Job ist derzeit, die Finanzmärkte zu überzeugen, dass ihr ebenfalls hoch verschuldetes Land keine Probleme hat, seinen abgestürzten Haushalt zu sanieren. Und kein potenzieller Euro-Wackelkandidat ist

 Spaniens Zukunft entscheidet sich auch hier: an der Börse in Madrid. Foto: dpa

Spaniens Zukunft entscheidet sich auch hier: an der Börse in Madrid. Foto: dpa

Madrid/Lissabon. "Spanien ist nicht Griechenland", wiederholt die spanische Finanzministerin Elena Salgado dieser Tage beschwörend. Ihr wichtigster Job ist derzeit, die Finanzmärkte zu überzeugen, dass ihr ebenfalls hoch verschuldetes Land keine Probleme hat, seinen abgestürzten Haushalt zu sanieren. Und kein potenzieller Euro-Wackelkandidat ist.

In 2009 war das spanische Staatsdefizit auf 11,2 Prozent explodiert. Auch wenn die Gesamtverschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) - derzeit noch - unter dem EU-Schnitt liegt. Im Unterschied zu Griechenland habe Spanien aber "niemals mit den Statistiken getrickst", beteuert Salgado.

Spanien unterstützte von Beginn an das Rettungspaket über 30 Milliarden Euro für Athen bedingungslos. Man könne den Anteil am Griechenland-Kredit in Höhe von rund 3,7 Milliarden Euro "sofort" bereitstellen - was die eigene Haushaltskrise freilich nicht unbedingt verbessern dürfte. Ministerin Salgado lobte trotzdem das Rettungsabkommen als Zeichen der "Solidarität". Und lässt damit zugleich eine Hintertür für Madrid auf, die EU vielleicht doch einmal in der Zukunft um Hilfe bitten zu können.

Die sozialistische Regierung von Ministerpräsident Jose Luis Zapatero hatte Steuererhöhungen und harte Ausgabenkürzungen verkündet, um das Etat-Minus bis 2013 wieder unter drei Prozent zu drücken. Auch um die Sorgen von EU und Investoren zu zerstreuen, was zunächst offenbar halbwegs gelungen ist. Regierungschef Zapatero schloss zudem weitere Sparschritte nicht aus. Analysten erwarten, dass die Spanier, welche eine Arbeitslosenquote von 20 Prozent plagt, den Gürtel sogar noch sehr viel enger schnallen müssen.

Derweil spitzt sich die Krise im ebenfalls überschuldeten Nachbarland Portugal zu: Die Gewerkschaften mobilisieren gegen den schmerzhaften Sparkurs, den der sozialistische Regierungschef Jose Socrates fahren muss. Diese Woche streiken Eisenbahner, Busfahrer und Postler. Zuvor waren Müllmänner, Krankenschwestern und Lehrer im Ausstand. Wohl erst der Anfang einer Protestwelle, die sich gegen "Lohn-Nullrunden", höheres Rentenalter im öffentlichen Dienst sowie soziale Einschnitte richtet. Machen sich doch bald griechische Verhältnisse in Portugal breit?

"Die Lage Portugals ist nicht vergleichbar mit der griechischen Situation", beteuert Außenminister Luis Amado. Aber trotzdem wachsen in der Finanzwelt die Sorgen. Die Ratingagentur Fitch stufte Lissabons Kreditwürdigkeit bereits herab, die Brüsseler EU-Kommission forderte mehr Sparwillen. Und der Internationale Währungsfonds schätzt Portugal als weitere potenzielle Bedrohung für die Euro-Zone ein. Als Folge muss Lissabon für seine Staatsanleihen bereits einen erheblichen Risiko-Zinsaufschlag zahlen: Zehnjährige Papieren werden bereits mit über fünf Prozent gehandelt, gut zwei Prozentpunkte mehr als etwa deutsche Anleihen.

Die Nation durchlebe "eine große Krise" bekennt Staatspräsident Anibal Cavaco Silva. Das Haushaltsloch von minus 9,4 Prozent in 2009 lässt keinen Spielraum für notwendige Wirtschaftsreformen, um fehlende Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Und die Gesamtverschuldung könnte in 2011 schon fast 100 Prozent des BIP betragen. Hinzu komme die Bedrohung durch Spekulanten, warnt Jose Silva Lopes, früherer Zentralbankchef Portugals, "die sich gegen uns wenden, weil sie Blut riechen". Vielleicht wegen dieser Gefahr stützt Portugals Regierung auch vorbehaltlos den Eurozonen-Rettungsplan für Griechenland. Knapp 800 Millionen Euro muss Lissabon in diesen schwierigen Haushaltszeiten für Athen lockermachen. Auch wenn dies unter den ohnehin schon leidenden Portugiesen, welche in Sachen Wohlstand Westeuropas Schlusslicht sind, weniger gut ankommt. Frankfurt. Griechenland wankt - und in Deutschland sorgt sich mancher um sein Geld. Mit Milliarden sind hiesige Banken und Versicherer in dem kleinen Mittelmeerland engagiert. Hohe Renditen für griechische Staatsanleihen - zuletzt über neun Prozent für zehnjährige Papiere - locken inzwischen auch so manchen Privatanleger. Dass Griechenland und andere Euro-Staaten seit langem hohe Schuldenberge aufhäufen, interessierte in der Vergangenheit kaum jemanden. Schließlich sorgten starke Länder wie Deutschland dafür, dass die Gemeinschaftswährung über jeden Zweifel erhaben war. Die aktuelle Griechenlandtragödie hat der Sorglosigkeit ein Ende gesetzt. "Die deutschen Banken - nicht die Deutsche Bank - haben beträchtliche Milliarden im Feuer", warnte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann Mitte März. Es gebe keine Alternative zu einer Rettung Griechenlands. "Wenn wir Griechenland nicht stabilisieren können, haben wir das nächste Problem."

Nach den jüngsten Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ist Griechenland bei deutschen Investoren mit gut 45 Milliarden US-Dollar (33 Milliarden Euro) verschuldet. Den Löwenanteil dürften Banken, Versicherer und andere institutionelle Investoren tragen. Im Falle Griechenlands nimmt auch die Hilfszusage der Euro-Länder nach Beckers Ansicht nicht die Unsicherheit: "Das Investment in eine griechische Staatsanleihe ist unsicherer als vor einem Jahr."

Die Finanzbranche beschwichtigt: Die Postbank sieht sich mit einem Bestand von knapp 1,3 Milliarden Euro griechischer Staatsanleihen von der dortigen Krise kaum betroffen. Die Commerzbank bezifferte ihr Portfolio auf 3,1 Milliarden Euro, Konzernchef Martin Blessing versicherte jedoch, man mache sich deswegen keinerlei Sorgen.

Ulrich Schröder, Vorstandschef der KfW, sprach für sein Haus von einem "Mini-Exposure in Griechenland", das "keineswegs Anlass zur Sorge" gebe. Die Deutsche Bank bekräftigte, sie habe kaum direkte Engagements in Griechenland. Finanzvorstand Stefan Krause sagte jedoch, sollte sich die Lage verschlechtern, seien negative Auswirkungen für seine Bank nicht auszuschließen. dpa

Frankfurt. Finanzkrisen von Staaten rufen immer wieder Spekulanten auf den Plan. Der Handel mit sogenannten Credit Default Swaps (CDS) soll die Krise in Griechenland weiter verstärkt haben.

Unregulierter Markt

Eigentlich handelt es sich dabei um eine Versicherung gegen den Ausfall eines Schuldners. CDS sollen also mehr Sicherheit an den Märkten bringen, weil sich Anleger vor Risiken schützen können. Die Papiere sind aber längst nicht mehr nur ein Schutz für den konkreten Einzelfall. Sie werden stattdessen wie viele andere hochkomplexe Finanzprodukte weitgehend losgelöst wie Wertpapiere gehandelt. Der Markt dafür ist allerdings praktisch unreguliert.

Der Versicherungsnehmer - zum Beispiel ein Investor, der Anleihen gekauft hat - schützt sich mit CDS gegen Verluste. Dafür bezahlt er eine Prämie. Der Versicherungsgeber - zum Beispiel ein Hedge-Fonds oder eine Investmentbank - bekommt die Prämie, muss aber einspringen, wenn der Schuldner ausfällt.

Die CDS können getrennt von den Anleihen gehandelt werden. Anleihenherausgeber und -besitzer müssen nicht zustimmen. Der Käufer einer Absicherung muss nicht einmal die betroffenen Anleihen besitzen. Dadurch kann der Markt für die Ausfallrisiken sogar viel größer werden als der eigentliche Anleihenmarkt. Spekulanten treten dann gegeneinander an und können mit dem Handel gewinnen oder verlieren. Kritiker befürchten, dass dadurch sogar der Kurs der Anleihen beeinflusst wird. Denn die Entwicklung von CDS-Prämien dient bei regem Handel mitunter mehr als der Gradmesser, wie die Märkte die jeweiligen Risiken bewerten, als die Anleihepreise selbst.

Manipulierter Bankrott?

Die wichtigste Frage lautet, ob die CDS-Besitzer die Zahlungsprobleme herbeireden können, um den Wert ihrer CDS hochzuschrauben. Oder schlimmer noch: Könnten Hedge-Fonds durch gezielte Käufe von CDS in großer Zahl den Ruf Griechenlands so stark beschädigen, dass das Land für neue Anleihen keine Käufer mehr findet? In der nächsten Runde steigt der Wert der CDS, die Bonität sinkt weiter. Sollten die Spekulanten tatslächlich diese Teufelsspirale auslösen können, hätten sie eine Methode gefunden, reich zu werden, indem sie Griechenland in den Bankrott treiben. Das ist aber umstritten.dpa/red

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