Farce um toten McCain Trump beweist fehlenden moralischen Kompass

WASHINGTON Fünf Mal hatte Donald Trump am Montag Gelegenheit, auf Fragen von Reportern zu antworten, die von ihm wissen wollten: Wie sieht er die Verdienste des am Samstag verstorbenen Repubikaners John McCain – einer der ärgsten Widersacher in der eigenen Partei – um das Land?

Fünf Mal schwieg der Präsident – darunter auch mit versteinerter Miene und verschränkten Armen im „Oval Office“ bei einem Fototermin, während eine Helferin in schrillen Tönen versuchte, die so lästigen Medien aus dem Raum zu scheuchen. Erst als sich der Arbeitstag schon dem Ende näherte, rang sich Trump dazu angesichts der anhaltenden Kritik auch unter republikanischen Kongressmitgliedern durch, eine kurze Botschaft zur Bedeutung des Senators zu verlesen.

Auch die Staatsflagge am Weißen Haus, die zuvor am Montag für viele überraschend von Halbmast zur Normalposition gesetzt worden war, wurde – wie am Samstag für 48 Stunden geschehen – plötzlich wieder heruntergelassen. Eine protokollarische Farce, wie sie Washington noch nicht erlebt hat.

Selbst 19 Monate nach Ablegung seines Amtseids scheint Donald Trump immer noch Probleme zu haben, das Amt des mächtigsten Mannes der Welt staatsmännisch und mit der entsprechenden Würde auszufüllen. Dazu gehört auch die intern hochnotpeinliche Debatte, wer denn nun bei der Trauerfeier für McCain teilnehmen wird. Nachdem der Verstorbene angeordnet hatte, dass der Präsident bei der Erweisung der letzten Ehre als „persona non grata“ – also unerwünscht – einzustufen sei, hieß es zunächst, dass weder Donald Trump noch die First Lady anwesend sein würden, wenn George W. Bush und Barack Obama am Samstag in der Nationalkathedrale in Washington die Trauerreden halten. Doch nun verdichten sich Gerüchte, dass offenbar Melania Trump unbedingt die Staatsführung repräsentieren möchte – vermutlich gegen den Widerstand des Gatten, zu dem sie in den letzten Monaten immer häufiger öffentlich Gegenpositionen bezogen hat.

Dass der Präsident Grundregeln des Anstands nicht zu kennen scheint oder willentlich ignoriert, war schon im Wahlkampf 2016 immer wieder deutlich geworden. Da machte er sich beispielsweise bei einem Auftritt über die Mimik eines behinderten Reporters vor laufenden Kameras lustig, indem er dessen Sprachprobleme nachäffte. Auch McCain war – ein Jahr zuvor – bereits das Opfer der mangelnden Sensibilität des Konkurrenten geworden. Zunächst erklärte Trump mit Blick auf die Vietnam-Erfahrungen McCains, er möge Leute, die sich nicht gefangennehmen lassen. Es war ein Seitenhieb auf den Abschuss des Navy-Piloten McCain über Vietnam, der anschließend fünf Jahre in Vietkong-Gefangenschaft verbrachte und dort gefoltert wurde. Als Trump gefragt wurde, ob er mit den Details von McCains Story vertraut sei, hatte er geantwortet: „Das ist nicht relevant“. Das ließ darauf schließen, dass Trump tatsächlich nicht die Umstände der Gefangenschaft des Mitbewerbers kannte – was kaum überraschen kann, denn der Präsident weigert sich nach Angaben von Mitarbeitern beharrlich, Memoranden zu lesen. Im April diesen Jahres hatte bereits James Comey, der von Trump gefeuerte FBI-Chef, in seinem Buch festgestellt: Der Präsident sei „moralisch ungeeignet“, das Land zu führen.

Schon im Mai dieses Jahres hatte die „Washington Post“ in einem vernichtenden Leitartikel den fehlenden moralischen Kompass Trumps bilanziert – und auch festgestellt: „Die Republikaner haben den Standard, dass politische Anführer auch charakterliche Vorbilder sein sollten, mit der Verteidigung von Donald Trump aufgegeben.“

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